Union präsentiert Wahlprogramm. FDP nennt es unfinanzierbar, die SPD ein „Märchenbuch“

Berlin. „In zwei Schritten wollen wir die Bürgerinnen und Bürger spürbar entlasten“, kündigt die Union drei Monate vor der Bundestagswahl an. „Deshalb wollen wir den Eingangssteuersatz in einem ersten Schritt von 14 auf 13 Prozent und in einem zweiten Schritt auf zwölf Prozent senken.“ Auch für die Besserverdienenden hat die Union ein Leckerli parat: „Der Höchststeuersatz, der heute schon ab einem Jahreseinkommen von 52.552 Euro greift, soll künftig ab 55.000 Euro und später ab 60.000 Euro zum Zuge kommen. Der Steuersatz bleibt dabei unverändert.“

Nein, diese Ankündigungen stammen nicht aus dem Wahlprogramm für die Jahre 2013 bis 2017, das die Vorstände von CDU/CSU am Sonntag berieten und an diesem Montag präsentieren wollen. Sondern sie finden sich in dem Programm für die zu Ende gehende Legislaturperiode, verabschiedet ebenfalls Ende Juni – des Jahres 2009. Vier Jahre später jedoch liegt der Eingangssteuersatz weiter bei 14 Prozent, und die Grenze, ab der der Höchststeuersatz zu zahlen ist, hat die Bundesregierung nur einmal – und zwar allenfalls kosmetisch um 300 Euro – erhöht. Mit den üblichen Ausreden, etwa dem Verweis auf eine schlechte Konjunktur oder einen unwilligen Koalitionspartner, lässt sich die Untätigkeit der Regierung kaum begründen. Die FDP, mit der die Union seit fast vier Jahren regiert, kämpfte vergeblich für noch stärkere Entlastungen.

Kritik an den Wahlversprechen kommt auch vom Unions-Mittelstand

In den kommenden vier Jahren wollen die Unionsparteien die Neuverschuldung abbauen, die Mütterrenten (für nach 1992 geborene Kinder) erhöhen, eine Zuschussrente und ein Familiensplitting einführen, den Straßenbau mit jährlich einer Milliarde Euro zusätzlich fördern und, und, und. Steuererhöhungen schließen CDU/CSU aus. Man wolle „die Leistungsträger in der Mitte der Gesellschaft weiter entlasten“. In diesem Kontext fällt der Begriff der kalten Progression.

Die Lohnzusatzkosten sollten stabil bleiben, wird verkündet – während aus den Reihen der Koalition immer wieder gefordert wird, die Rentenversicherungsbeiträge weiter zu senken. Doch dieses Vorhaben dürfte sich beißen mit den ehrgeizigen Ziel hinsichtlich der Mütterrenten.

Der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler bezeichnete eine höhere Mütterrente als nicht finanzierbar. Die Überschüsse der Rentenversicherung seien marginal, sodass das Vorhaben zu höheren Beiträgen für die Versicherten führen würde, sagte Rösler dem „Handelsblatt“. Auch Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) kritisierte die familienpolitischen Pläne der Union. „Die Mütterrente kostet Milliarden und belastet die junge Generation durch steigende Beiträge. Niemand plant eine Familie mit dem Taschenrechner, um später eine höhere Rente zu erhalten“, sagte Bahr dem „Spiegel“. Er forderte zudem mehr Anerkennung für Männer in Elternzeit.

Kritik an den Wahlversprechen der Union kam indes ebenso aus den eigenen Reihen. Der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung von CDU und CSU, Josef Schlarmann, sagte dem Deutschlandfunk, in dem 125 Seiten umfassenden Programm würden keine Schwerpunkte gesetzt. Es fehlten Antworten auf die großen Herausforderungen wie etwa die Euro-Krise und die Energiepolitik.

Erwartungsgemäße Kritik äußerte die Opposition. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warf der Union „Wahlbetrug mit Ansage“ vor (siehe Interview). SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier schalt das Wahlprogramm ein „Märchenbuch“. An diesem Montag präsentiert es die Unionsspitze vor 600 Mandatsträgern.