Kanzlerin: Tag ist bedeutsamer Markstein in deutscher Geschichte. Stasi-Beauftragter fordert Wiedereinführung als Feiertag

Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Montag die Opfer des 17. Juni 1953 in der DDR gewürdigt. Bei einer zentralen Gedenkfeier zum 60. Jahrestag des DDR-Volksaufstandes bezeichnete Merkel den Tag als bedeutsamen Markstein der deutschen Geschichte. „Der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 führt eindrucksvoll vor Augen, dass sich die Sehnsucht nach Freiheit nicht eindämmen lässt“, sagte Merkel auf dem Friedhof Seestraße in Berlin-Wedding, wo sich ein Mahnmal für die Opfer des Aufstandes befindet. Auch Bundespräsident Joachim Gauck nahm an der Gedenkstunde teil. Gauck und Merkel legten Kränze nieder.

Die Kanzlerin sagte, aus Wut sei Mut entstanden, aus einem Arbeitskampf ein politischer Aufstand gegen das SED-Regime. Die Revolte sei zwar mit Panzern niedergeschlagen worden. Aber der Wille der Bevölkerung nach Freiheit habe nicht unterdrückt werden können, fügte sie hinzu. Die geschichtliche Linie führe von der Tragik des 17. Juni über den Mauerbau am 13. August 1961 und Jahrzehnte politischer Trostlosigkeit bis zum Herbst 1989, als ein kommunistischer Staat nach dem anderen in sich zusammenfiel. „Ein politisches System kann auf Dauer nur bestehen, wenn es den Menschen Raum zur freien Entfaltung lässt“, betonte Merkel. „Geschichten wie diese geben uns eine Ahnung, welcher Schatz unsere Freiheit ist.“ Deshalb appelliere sie besonders an die jungen Menschen: „Lassen Sie sich auf den 17. Juni 1953 ein.“

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) erklärte, die Botschaft des 17. Juni laute, dass Freiheit und Demokratie immer wieder erkämpft werden müssen. „Wenn sie einmal verloren sind, dann ist es schwer, sie wiederzuerlangen“, so Wowereit.

Der Volksaufstand zähle zu den wenigen demokratischen Massenbewegungen überhaupt, die Deutschland in seiner Geschichte hervorgebracht hat. Er reihe sich ein in die Freiheitsbewegung von Mittel- und Osteuropa, die letztlich den Boden für die friedliche Revolution und den Fall der Mauer bereitet haben. „Es ist deshalb unsere gemeinsame Verantwortung, die Erinnerung an den 17. Juni wachzuhalten“, betonte Wowereit.

An dem Gedenken nahmen auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) als Vizepräsident des Bundesrates und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, sowie der Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, Roland Jahn, teil.

Unterdessen gibt es neue Forderungen, den 17. Juni wieder als gesetzlichen Feiertag zu verankern. Jahn hatte dafür plädiert, Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) unterstützt den Vorschlag. Merkel sagte dazu: „Seither ist der 3. Oktober Feiertag. Doch der 17. Juni ist und bleibt unvergessen als bedeutsamer Markstein der deutschen Geschichte.“ Bundespräsident Gauck hatte bei einer Gedenkstunde im Bundestag am Freitag gefordert, das Gedenken an den 17. Juni aus der „Erinnerungsreserve“ herauszuholen.

Auch der Verein DDR-Opfer-Hilfe plädierte am Montag für eine Bildungsoffensive an Schulen. Das Vermächtnis des 17. Juni müsse verstärkt in die junge Generation getragen werden, sagte Vereinsvorsitzender Ronald Lässig. Aufklärung über die SED-Diktatur sei das beste Mittel gegen Ostalgie. Seit Sonntag gibt es in Berlin einen „Platz des Volksaufstandes 1953“. Das Areal vor dem Finanzministerium bekam den Namen nach jahrelanger Debatte. Vor dem einstigen Haus der DDR-Ministerien hatten sich am 16. Juni 1953 Tausende Demonstranten versammelt und ihre Forderungen skandiert. Einen Tag später hatten sich die Proteste ausgeweitet.

Am 17. Juni 1953 protestierten in der DDR mehr als eine Million Menschen gegen das herrschende SED-Regime. Der Aufstand wurde von sowjetischen Panzern niedergeschlagen. Mehr als 50 Menschen starben, Hunderte wurden verletzt, bis zu 15.000 kamen in Haft. „Rädelsführer“ wurden standrechtlich erschossen. Es war die erste Massenerhebung gegen ein kommunistisches Regime nach dem Zweiten Weltkrieg.