Die Kampagne der FDP kommt nicht in Gang. Jetzt fällt nach einem Sturz auch noch der Spitzenkandidat aus

Berlin. Nur mit uns. Das ist der Slogan, mit dem die FDP im Sommer die Republik zukleistern wird. Auf großen und kleinen Plakaten, Broschüren und Aufklebern, überall wird es heißen: Nur mit der FDP bleibt die Bundesrepublik auf Kurs, sei es bei Währungsstabilität, Haushaltskonsolidierung oder Steuerentlastung. So hat es die Abteilung für Strategie, Dialog und Kampagnen im Thomas-Dehler-Haus ausgeheckt. Die Wahlkampfexperten in der Berliner Parteizentrale glauben, mit diesen Themen Alleinstellungsmerkmale für die Liberalen gefunden zu haben. Als Konzept klingt das schlüssig. Schließlich hat sich die Union darauf verlegt, der SPD mit großzügigen Versprechen sozialer Wohltaten das Wasser abzugraben. Sozialdemokraten, Grüne und Linke wiederum wollen den Bürgern mit massiven Steuererhöhungen ans Geld. Es bleibt also viel Raum für eine Partei, die sich wirtschaftliche Vernunft auf die Fahnen schreibt.

Noch ist das alles allerdings Theorie, die Kampagne existiert nur auf dem Papier. In den öffentlichen Debatten dieser Tage findet die FDP kaum statt, weder der Spitzenkandidat Rainer Brüderle noch der Parteivorsitzende Philipp Rösler vermochten der Partei bislang das gewünschte Profil zu geben. Kein Problem, heißt es im Dehler-Haus, der Wahlkampf habe ja gar nicht richtig begonnen. Die großen Fernsehauftritte Brüderles stünden erst im Juli und September an, die Plakatierung beginne Anfang August und überhaupt: Die Bundestagswahl werde in den vier Wochen vor dem Wahltermin am 22. September entschieden. In der Partei sind nicht alle so gelassen. Vor allem von Brüderle ist mancher enttäuscht. Schließlich wurde extra für ihn der Posten des Spitzenkandidaten geschaffen, er sollte der Mittelstürmer sein, der im Wahlkampf die Tore schießt. Das Bemühen ist ihm nicht abzusprechen: Seit Wochen tourt er durch die Republik, besucht von der Fraktion organisierte Wirtschaftsdialoge, gibt Interviews in Zeitungen und Rundfunk. Aber er dringt selten durch, eine Profil schärfende Debatte hat er nicht angestoßen.

Bereits Anfang April holte Brüderle einen neuen Mann an seine Seite, den in der Partei bestens vernetzten Olaf Bentlage. Der sitzt nun als Wahlkampfmanager des Spitzenkandidaten im Dehler-Haus. Die weitgehend unbeachtet gebliebene Personalie darf als Indiz dafür gelten, dass Brüderle den Mitarbeitern des Parteichefs Rösler in der Zentrale nicht vertraut – kein Wunder, schließlich lieferten sich beide zu Jahresbeginn noch einen Machtkampf um den FDP-Vorsitz. Immerhin sei die Kommunikation zwischen Fraktion und Partei durch Bentlages Wirken besser geworden, heißt es in Brüderles Umfeld. Reibungslos aber verläuft die Zusammenarbeit weiterhin nicht. Das wurde am vorigen Wochenende deutlich, als Brüderle in der Nähe seines Wohnortes Mainz schwer stürzte. Stundenlang kursierte eine Version, wonach der Spitzenkandidat bei einem Wahlkampfauftritt beim Verlassen des Podiums gefallen sei. Offenbar fürchtete man, der wahre Hergang der Geschehnisse könne Brüderle in schlechtem Licht erscheinen lassen.

Nach Treppensturz ist Brüderle auf die Unterstützung der Partei angewiesen

Denn tatsächlich hatte er sich mit Freunden das pfälzische Mundart-Theaterstück „Der fröhliche Weinberg“ von Carl Zuckmayer angesehen. Nach der Aufführung des Lustspiels in einem Freilichttheater, Weinprobe inklusive, ging es zum Abendessen. Auf der Treppe des Restaurants war Brüderle von der Seite angesprochen worden, übersah eine Stufe und stürzte. Dabei brach er sich Oberschenkel und linke Hand.

Nach der Operation im Mainzer Uniklinikum suchte Brüderle per Telefoninterview, die Lage zu beruhigen. „Ich bin da Opfer meiner eigenen Dynamik geworden“, sagte er der „Rheinischen Post“. „Es ist manchmal schwierig, geradeaus zu gehen und gleichzeitig links und rechts Leute zu grüßen.“ Er brauche jetzt ein paar Tage Ruhepause, danach freue er sich wieder auf den Wahlkampf. Auch die Parteizentrale bemühte sich, die Folgen des Unfalls herunterzuspielen. Rösler habe mit Brüderle telefoniert, man sei optimistisch, dass er schnell wieder einsatzfähig sei, die Wahlkampfplanung bleibe unverändert. Dabei dürfte jedoch eher der Wunsch Vater des Gedankens sein. Eine Reise nach Kroatien und Slowenien wurde bereits abgesagt, das Abendessen mit US-Präsident Barack Obama am Mittwoch fällt für den Liberalen aus. Und ob er kommende Woche die letzten Sitzungen des Bundestages vor der Sommerpause absolvieren kann, ist fraglich. Im Alter von 67 Jahren heilen Brüche nicht mehr sonderlich schnell. Er hat nun einen Wahlkampf mit Handicap zu absolvieren und ist nun auf die Unterstützung seiner Parteifreunde angewiesen. Rösler und andere werden ihm Termine abnehmen müssen, die Kommunikation wird noch wichtiger.

Ob sie funktioniert, erscheint angesichts der bisherigen Erfahrungen eher zweifelhaft. Klar ist nur: Um ihre Botschaft „Nur mit uns“ an den Bürger zu bringen, wird sich die FDP ausgerechnet den Slogan der SPD zu eigen machen müssen. Der lautet: „Das Wir entscheidet.“