Neda Shayeganfar hilft Studenten. Soziale Netzwerke umgehen Isolation des Landes

Hamburg/Teheran. Jeder zweite Iraner ist unter 30. Eine beeindruckende Quote, wenn man an die alternde Gesellschaft in Deutschland denkt. Hierzulande machen die unter 30-Jährigen nur 30 Prozent der Bevölkerung aus. Doch die jungen Iraner sind politikmüde geworden. Obwohl die Präsidentenwahlen an diesem Freitag recht spannend werden können, weil für den umstrittenen Mahmud Ahmadinedschad ein Nachfolger gefunden werden muss, hat sich das Gros von der Politik abgewandt.

Der Grund sind die Turbulenzen um die letzte Präsidentenwahl, hinter der viele Betrug vermuteten. Der leise Hauch einer grünen Revolution war ermutigend. Umso enttäuschender, dass Oppositionspolitiker verhaftet, die Proteste brutal niedergeknüppelt wurden.

Die Iraner im Ausland, die vor allem durch ihren großen Fleiß auffallen, wünschten sich schon Reformen und größere Freiheit in ihrer Heimat. Für sie aber zählt vor allem, dass sie hier etwas bewegen können. Wie Neda Shayeganfar, 30, die gerade im ersten juristischen Staatsexamen an der Uni Hamburg steckt. Sie hat gut 1200 Freunde. „Nur“ bei Facebook, aber die werden schnell real. Denn sie berät Iraner, die in Deutschland studieren wollen.

Selbst für einheimische Studienanwärter ist der Start an den Hochschulen der Bundesrepublik nach dem Abitur nicht einfach. Formulare müssen ausgefüllt, die Finanzierung des Lebensunterhalts gesichert, eine Unterkunft und vor allem alle Unterlagen für die Uni-Bewerbung zusammengesammelt werden. „Und dann überlegen Sie mal, wie schwierig das ist, wenn man aus einer anderen Kultur kommt. Man kennt sich in einem Land überhaupt nicht aus, ist mit der Bürokratie überfordert und weiß nicht einmal, wie teuer ein normaler Kaffee in Deutschland ist“, sagt Neda Shayeganfar.

Als gebürtige Iranerin weiß sie, was es heißt, sich in einer entscheidenden Lebensphase in einer neuen, fremden Umgebung einzufinden. Mit acht Jahren kam sie mit ihrer Familie nach Deutschland. „Man muss bei null starten, sich ein soziales Umfeld aufbauen – und da fühlt man sich am Anfang nicht besonders wohl“, sagt die Wahlhamburgerin heute.

Facebook ist auch für die Iraner im Iran wichtig. Es ist für viele der Kontakt zur Außenwelt. Präsident Ahmadinedschad hat das Land in die internationale Isolation geführt. Die Sanktionen treffen die Bürger auch im Alltag. Der Iran wird verdächtigt, unter dem Deckmantel einer zivilen Atomanlage Kernwaffen zu entwickeln.

Das ist weit weg für Neda Shayeganfar. Mit ihrer Facebook-Seite „Tahsil dar Alman: Life and Study“ hat sie einen Kommunikationsweg gefunden, mit dem sie jungen Menschen eine Hilfestellung geben kann, eine akademische Ausbildung in Deutschland zu beginnen. Seit der Gründung im vergangenen Jahr hat sie mehr als 50 Iranern den Weg geebnet – und die Zahl der Fans steigt täglich.

„Ich bekomme sogar Anfragen aus anderen Ländern wie Indien oder Afghanistan“, sagt Neda Shayeganfar. „Und mittlerweile ist es schon soweit, dass ich keine Zeit mehr für Hobbys habe, weil ich so viel arbeite.“

Und so vermittelt die junge Frau nicht nur Wohnungen oder stellt Anträge an Botschaften für ihre Klienten, sondern plant in einigen Fällen gar den ganzen Prozess von der Uni-Bewerbung über die Anerkennung bereits absolvierter Abschlüsse bis hin zur ersten Seminarstunde an der Universität. In vielen Fällen verlangt sie kein Honorar. „Aber wenn es zeitaufwendig ist, dann nehme ich schon eine Aufwandsentschädigung. Fakt ist aber, dass ich bislang nicht davon leben könnte.“ Dass dies vielleicht einmal möglich ist, das sei ihr großes Ziel. „Beraten, netzwerken — vielleicht kann man da wirklich was draus machen.“

Der Ansturm auf deutsche Universitäten ist gewaltig. Hamburg, das die nach London größte europäische Gemeinde von Iranern beherbergt (bis zu 25.000), steht auf der Wunschliste vieler Akademiker ganz oben.

Neda Shayeganfar erhofft sich, mit ihrer Vermittlung auch einen kulturellen Beitrag für die deutsche Gesellschaft zu leisten. Auffällig sei nämlich, dass es von vielen iranischen Frauen überhaupt nicht infrage gestellt wird, dass Familie und ein anspruchsvoller Beruf kombiniert werden können. Das Resultat: Etwa die Hälfte der Iraner, die zum Studium nach Deutschland kommen, seien Frauen, die vornehmlich ingenieurswissenschaftliche Studiengänge besuchen. Ein hoher Anteil im Vergleich zu deutschen Studentinnen, die größtenteils ihren männlichen Kommilitonen die Natur- und Ingenieurswissenschaften überlassen. „Vielleicht können sich die deutschen Frauen davon etwas abschauen“, sagt Neda Shayeganfar zuversichtlich, „und dann hat sich meine Arbeit gleich doppelt gelohnt.“