Staatsanwalt verzichtet nach Bekanntwerden eines Schreibens an Kubicki auf Ermittlungen

Münster/Essen. Für die Staatsanwaltschaft Essen ist ein jetzt bekannt gewordener Brief von Jürgen Möllemann kein Anlass für neue Ermittlungen zum Tod des FDP-Politikers vor zehn Jahren. „Das spielt für uns keine Rolle. Der Brief ist ja nicht einmal vollständig veröffentlicht“, sagte Behördensprecher Wilhelm Kassenböhmer am Mittwoch. Die „Bild“-Zeitung hatte zuvor über einen Brief Möllemanns an seinen Parteikollegen und Freund Wolfgang Kubicki berichtet, der eine Mischung aus Abschiedsbrief und Testament sei.

Möllemann war am 5. Juni 2003 bei einem Fallschirmsprung ums Leben gekommen. Die Staatsanwaltschaft Essen hatte bei ihren Ermittlungen nicht klären können, ob es Selbstmord oder ein Unfall war. „Die Frage Freitod oder Unglück bleibt völlig offen“, hieß es damals. Hinweise auf eine Manipulation durch Dritte hatten die Ermittler nicht gefunden. Am Tag des tödlichen Absprungs hatten Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung die Wohnräume Möllemanns in Münster durchsucht. Gegen den Politiker liefen mehrere Ermittlungsverfahren in einer Spendenaffäre.

Möllemann habe den Brief im April 2003 persönlich an Kubicki mit der Aufforderung übergeben, ihn nach seinem Tod zu öffnen, berichtet die „Bild“-Zeitung. Der Brief sei auf den 17. Mai 2003 vordatiert gewesen. Kubicki sagte dem Blatt, er habe das Schreiben noch am Abend von Möllemanns Tod geöffnet. „Ich hatte in dem Brief mit Hinweisen darauf gerechnet, von wem er sich bedroht und verfolgt fühlte. Und was die Gründe dafür waren.“ Kubicki wollte sich am Mittwoch nicht weiter zu dem Brief äußern.

Die NRW-FDP hat anlässlich des Todestages an den umstrittenen Politiker erinnert. Möllemanns früherer politischer Zögling, der heutige FDP-Landeschef Christian Lindner, sprach von einem „populären und leidenschaftlichen Liberalen“. Lindner sagte: „Bei der Würdigung seiner Person übersehen wir nicht seine Fehler, aber wir erkennen auch seine politische Lebensleistung über Jahrzehnte an.“

Vor zehn Jahren war der routinierte Fallschirmspringer auf einem Flugplatz in Marl in den Tod gestürzt. Gleichzeitig durchsuchten Staatsanwälte und Steuerfahnder Büros und Wohnräume des Politikers in mehreren Ländern. Die Beamten suchten nach Beweisen für den Verdacht illegaler Parteienfinanzierung. Die Eilmeldung von Möllemanns Tod platzte wie eine Bombe in die laufende Sitzung des Düsseldorfer Landtags, dem der damals 57-Jährige noch als fraktionsloser Abgeordneter angehörte.

Möllemanns Parteispendenaffäre wirkt bis heute nach: Die FDP muss dafür mindestens zwei Millionen Euro Strafe zahlen. Über weitere 1,4 Millionen Euro der vom Bundestagspräsidenten verhängten Sanktion muss noch gerichtlich entschieden werden. Möllemann hatte der NRW-FDP zwischen 1996 und 2002 Sach- und Barspenden über insgesamt rund 2,2 Millionen Euro zukommen lassen, deren Herkunft aber verschleiert. Wegen der Parteispendenaffäre und Antisemitismus-Vorwürfen nach einem Wahlkampf-Flugblatt sah sich Möllemann im März 2003 gezwungen, nach 33 Jahren aus der FDP auszutreten. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere hatte es der studierte Lehrer bis zum Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler im Kabinett von Helmut Kohl (CDU) gebracht.