Konsequenz aus dem Wahldebakel: Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) gibt sein Amt auf. Ist der Weg frei für eine Große Koalition?

Erfurt/Hamburg. Nach dem überraschenden Rücktritt von Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) fällt möglicherweise schon am Sonnabend eine Vorentscheidung über eine schwarz-rote Koalition in Thüringen. An diesem Tag finden nach Informationen aus Unionskreisen Sondierungsgespräche zwischen der SPD und der CDU statt. Bundeskanzlerin Angela Merkel zollte ihrem Parteikollegen und Vertrauten Althaus Respekt für seinen Schritt und forderte die SPD zu Koalitionsgesprächen auf.

Merkel sagte: „Ich habe mit ihm freundschaftlich und vertrauensvoll eng zusammengearbeitet.“ Er habe als Regierungschef Thüringen zu „einem Wirtschafts- und Bildungsland mit guten Ergebnissen gemacht“. Dafür gebühre ihm großer Dank, sagte die CDU-Chefin. Althaus’ Rücktritt sei eine Möglichkeit, in ernsthafte Gespräche einzutreten. Er habe den Weg dafür freigemacht.

Die CDU berief noch für Donnerstag ihre Führungsgremien ein. Ein Parteisprecher sagte, die Regierung sowie die CDU würden zunächst automatisch von Althaus’ Stellvertreterin Finanzministerin Birgit Diezel (51) geführt. Neben Diezel gelten auch Sozialministerin Christine Lieberknecht (51) und der Fraktionschef und Althaus-Vertraute Mike Mohring (37) als Anwärter auf die Parteispitze und die Führung einer Koalition mit der SPD. Favoritin soll nach Einschätzung von Insidern Lieberknecht sein. Sie wäre nach Heide Simonis (Schleswig-Holstein) die zweite Ministerpräsidentin eines Bundeslandes in Deutschland.

Es war nur eine dürre Mitteilung. „Mit sofortiger Wirkung trete ich als Ministerpräsident des Freistaats Thüringen und als Landesvorsitzender der CDU Thüringen zurück." Gezeichnet: „Dieter Althaus, 03. September 2009." Schon lange hieß es in Erfurt hinter vorgehaltener Hand, der „MP" sei nicht mehr regierungsfähig. Und das hat wenig mit seinem schweren Skiunfall zu tun, bei dem er ein Schädel-Hirn-Trauma davontrug. Althaus war politisch schwer angeschlagen, weil ihm viele eine falsche Richtung vorwarfen, nicht nur von Seiten der Oppositionsbank. Bildungs- und Wirtschaftspolitik habe er vernachlässigt hieß es. Die Quittung bekam Althaus bei den Landtagswahlen am Sonntag.

Althaus war nach seinem schweren Skiunfall, bei dem am Neujahrstag eine 41 Jahre alte Frau getötet wurde, durch eine lange medizinische Rehabilitation gegangen. Nach seiner Rückkehr in die Politik war Kritik laut geworden an der Art und Weise, wie er den tragischen Unfall im Wahlkampf thematisierte. Die Opposition warf ihm vor, sich selbst zu inszenieren. In einem Schnellverfahren war Althaus in Österreich zu einem Bußgeld verurteilt worden. Auch das hatte Kritik an einer Vorzugsbehandlung des Politikers ausgelöst.

Wie die Koalitionsgespräche in Thüringen jetzt weitergehen, dürfte in den nächsten Tagen entschieden werden. Es gibt nach der Weigerung der SPD, mit den Linken eine Regierung unter deren Führung zu bilden, viele Hinweise auf eine Große Koalition. SPD-Chef Christoph Matschie hatte ausgeschlossen, mit Linken-Kandidat Bodo Ramelow zusammenzuarbeiten. Gleichzeitig hatte er die Ära Althaus für beendet erklärt. Nach zehn Jahren der absoluten Mehrheit hatte die CDU am Sonntag zwölf Prozentpunkte bei der Landtagswahl eingebüßt.

Der Rücktritt von Althaus hat nach Ansicht von SPD-Landesvize Hartmut Schubert keine Auswirkungen auf die Strategie seiner Partei in der Koalitionsfrage. Es werde weiterhin an den Gesprächen sowohl mit der Linken als auch mit der CDU festgehalten, sagte Schubert der Deutschen Presse-Agentur dpa. „Althaus hat die Konsequenzen aus der schweren Niederlage bei der Landtagswahl gezogen.“ Er habe Respekt vor Althaus' Entscheidung. Linke-Spitzenkandidat Bodo Ramelow hat den Rücktritt von Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) als überfällig bezeichnet. Das Wahlergebnis mit knapp minus zwölf Prozent sei ein eindeutiges Votum gewesen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Aber der Rücktritt allein reicht nicht aus.“ Das Land brauche dringend einen Neuaufbruch. „Die CDU muss aus der Landesregierung abgewählt werden“, forderte Ramelow.

Der frühere thüringische Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) hat nach dem Rücktritt von Althaus an seine Partei appelliert, nun dringend Geschlossenheit zu zeigen. „Die gesamte Thüringer Union hat das Wahlergebnis zu verantworten, nicht Dieter Althaus allein“, sagte Vogel dem „Hamburger Abendblatt“. „Es ist jetzt notwendig, dass die CDU in Thüringen ebenso fest zusammensteht, wie sie es in der schwierigen Zeit nach dem Skiunfall von Althaus getan hat. Wir haben gemeinsam große Siege gefeiert. Nun, da uns der Wind scharf ins Gesicht bläst, ist Geschlossenheit umso wichtiger.“

Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) bedauert den Rücktritt seinen Thüringer Kollegen Dieter Althaus. „Wir Hessen als Nachbarn Thüringens und ich persönlich bedanken uns bei Dieter Althaus für die ausgezeichnete Zusammenarbeit“, sagte Koch. „Es ist bedauerlich, dass die politischen Umstände so sind, dass Dieter Althaus es für nötig hielt, im Interesse seines Landes und seiner Partei diesen schwierigen Entschluss zu fassen.“