FDP beharrt auf Haushaltssanierung vor höherem Kindergeld und Mütterrente. CDU-Mittelständler spricht von „sozialen Wohltaten“ der Kanzlerin

Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) muss die Wahl im September eigentlich nicht fürchten. Die Union steht in Umfragen über 40 Prozent, sie selbst ist populärer als je zuvor – und vor allem viel beliebter als ihr SPD-Herausforderer Peer Steinbrück. Ob es zusammen mit der FDP reicht, ist zwar ungewiss, aber alternativlos ist die Fortsetzung des schwarz-gelben Bündnisses nicht.

Eine Neuauflage der Großen Koalition mit der SPD ist denkbar, auch Schwarz-Grün wohl nicht gänzlich ausgeschlossen, wenn nach der Bundestagswahl gar nichts anderes geht. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sagte zwar der „Bild am Sonntag“: „Wir sind Lichtjahre von der Union entfernt, da geht ganz bestimmt nichts.“ Immerhin aber lobte sie Merkels persönlichen Stil. „Sie ist witzig und angenehm im persönlichen Umgang.“

Merkel ist eben beliebt. Und doch weiß sie genau, dass sich mit Sparprogrammen und solider Haushaltspolitik allein keine Wahl gewinnen lässt, in Frankreich nicht, in Italien nicht – aber in Deutschland eben auch nicht. Man darf schon davon ausgehen, dass ihr der Vorwurf, sie mache milliardenteure Wahlversprechen, nicht ganz ungelegen kommt. 28,5 Milliarden Euro hat das „Handelsblatt“ jetzt zusammengerechnet. Na und?

Die Rede ist von 35 Euro mehr Kindergeld und etwa 50 Euro mehr Rente pro Monat für Mütter, wenn zwei ihrer Kinder vor 1992 geboren wurden. Dazu mehr Lehrer, Verkehrsinvestitionen, kostenloses WLAN für alle Städte. Doch auf einen Zeitpunkt hat sich Merkel nicht festgelegt. Finanzminister Wolfgang Schäuble betont zwar, es gebe keinen Kurswechsel in der Haushaltspolitik, „einen kleinen Spielraum“ sieht er aber schon, etwa durch die hohen Überschüsse der Sozialversicherungen.

Dass sich die FDP gegen die Ausgaben positioniert, kann Merkel nur recht sein, das dient der Profilierung der beiden Partner im Wahlkampf. Die Kritik aus den eigenen Reihen kann sie verschmerzen, die der Opposition sowieso. Die „Bild“-Zeitung hat deren Wahlversprechen zusammengerechnet, und kommt bei der SPD sogar auf über 30 Milliarden Euro. Allerdings haben SPD und Grüne auch Steuererhöhungen angekündigt, die Union und FDP nicht wollen.

Aber wie war das etwa 2005 mit der Mehrwertsteuer? Die CDU wollte eine Erhöhung um zwei Prozentpunkte, die SPD gar keinen Anstieg. Am Ende waren es in der Großen Koalition 19 Prozent – drei Punkte mehr. Wahlversprechen sind eine Sache, Regierungspolitik ist eine andere. Erst Ende Juni will die Union ihr Wahlprogramm vorstellen, die jetzt genannten Wohltaten sind nicht mehr als ein Versuchsballon.

Doch der sorgt für Aufregung bei den Liberalen. FDP-Chef Philipp Rösler sagte der „Welt am Sonntag“, er rate „dringend dazu, auf dem Boden der wirtschaftlichen Vernunft zu bleiben“. Denn „sozialpolitische Versprechungen, wie sie jetzt von der CDU vorgebracht werden, müssen auch finanzierbar sein.“ Es dürfe nicht am Ziel gerüttelt werden, 2015 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Rösler distanzierte sich auch von Merkels Idee eines hauptamtlichen Euro-Gruppen-Chefs. Er sehe den Vorschlag „mit Skepsis“. Europa habe bereits viele Institutionen und Verfahren, die nur mit Leben gefüllt werden müssten, sagte der Wirtschaftsminister. Merkel sagte dem „Spiegel“, sie lehne einen weiteren Machtzuwachs der EU-Kommission ab. „Ich sehe zunächst keine Notwendigkeit, in den nächsten Jahren noch mehr Rechte an die Kommission nach Brüssel abzugeben.“

Für ihre Wahlversprechen erhält die Bundeskanzlerin Unterstützung von CSU-Chef Horst Seehofer. Der bayerische Ministerpräsident verteidigte die angekündigte Erhöhung von Kinderfreibetrag und Kindergeld. „Beim Kindergeld sind wir uns mit der Kanzlerin einig“, sagte er dem „Spiegel“. Auch über eine Erhöhung der Mütterrente sowie mehr Geld für Lehrerausbildung und Straßenbau habe man sich verständigt.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel warf Merkel Wahlbetrug vor. „Angela Merkel will die Deutschen zum zweiten Mal für dumm verkaufen“, sagte Gabriel dem „Tagesspiegel“. Vor vier Jahren habe sie über 20 Milliarden Steuersenkungen versprochen. Daraus sei nichts geworden. „Jetzt verspricht sie weit über 20 Milliarden Euro Wahlgeschenke. Daraus wird wieder nichts werden“, sagte Gabriel.

Auch in der CDU wurden weitere Zweifel an der schnellen Finanzierbarkeit laut. „Die Konsolidierung des Haushalts hat absolute Priorität“, sagte der Haushaltsexperte der Unionsfraktion, Norbert Barthle, der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Bis 2015 müsse ein ausgeglichener Haushalt erreicht und die Tilgung der Schulden begonnen werden. Erst dann könne man sich anderen Aufgaben zuwenden. Der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, sagte dem „Focus“, solche „sozialen Wohltaten“ seien typische Wahlgeschenke. Von ihnen wisse jeder, dass sie vor der Wahl ins Schaufenster gelegt werden, um nach der Wahl wieder hinter der Theke zu verschwinden. Das sei „Wahlkampf aus der Klamottenkiste“.

Noch sind es mehr als drei Monate bis zur Wahl. Spannend bleibt für Merkel, ob es ihrem Verteidigungsminister Thomas de Maizière gelingt, die Drohnen-Affäre zu überstehen. Auch an der Euro-Front müsste es ruhig bleiben, sonst könnte die Alternative für Deutschland der Union vielleicht doch entscheidende Stimmen wegnehmen.