Ministerpräsident Li Keqiang rühmt Erfolge der Bundesrepublik. Wirtschaftsminister Rösler revanchiert sich und erteilt Strafzöllen eine Absage.

Berlin. Es sollte eigentlich nur ein erstes Kennenlernen zwischen der Bundesregierung und Chinas neuem Ministerpräsidenten sein. Doch nun fällt der Besuch Li Keqiangs in Berlin genau in eine Zeit, in der sich China und die EU in einen Handelskrieg in der Solarindustrie hochzuschaukeln drohen.

Umso zufriedener war Li deshalb über die Botschaft, die Gastgeber Philipp Rösler (FDP) bei seinem Besuch in Berlin für ihn bereithielt: Der Wirtschaftsminister bezog im Beisein Lis klar Stellung gegen die Sanktionspläne der EU-Kommission für chinesische Solarunternehmen. „Es gibt es keinen Grund mehr für solche Anti-Dumping-Maßnahmen, da die EU-Kommission und China bereits Gespräche über die Solarindustrie begonnen haben“, sagte Rösler in einer Rede vor Managern beider Länder. Li saß, typisch für einen chinesischen Regierungschefs, regungslos auf dem Podium, doch die Reise hatte sich in diesem Moment schon für ihn gelohnt.

Li ist seit Mitte März Regierungschef. Deutschland war auf seiner Auslandsreise das einzige EU-Land, das er besuchte. Nicht ohne Grund: Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern sind mittlerweile engmaschig. 30 Prozent des chinesisch-europäischen Handels entfallen allein auf Deutschland. Laut dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat China als Investitionsstandort für deutsche Unternehmen mittlerweile Italien, der Schweiz und Spanien den Rang abgelaufen.

Am Sonntag hatte Li bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) getroffen. Am Montag trat er mit Wirtschaftsminister Rösler vor führenden Unternehmenschefs beider Länder auf. Am Nachmittag stand ein Gespräch mit Altkanzler und China-Experte Helmut Schmidt auf dem Programm. In seiner Rede vor den Managern beider Staaten hatte Li nur lobende Worte für die deutsche Wirtschaft übrig. „Made in China“ sei noch in der Entstehung, „Made in Deutschland“ dagegen bereits ausgereift. „Wenn wir beides ideal und optimal kombinieren, dann entsteht daraus ein Traumpaar“, schwärmte Li regelrecht. Beide Länder könnten Hand in Hand auch Märkte in anderen Staaten erschließen.

Der neue Regierungschef in Peking sagte zu, dass ausländische Firmen eine faire Konkurrenz erwarten könnten und geistiges Eigentum noch intensiver geschützt werde. Das hatte zuvor Vizekanzler Rösler von China eingefordert. „Daran kommen wir nicht vorbei, das ist eine strategische Entscheidung Chinas“, sagte Li. Sonst würden auch Innovation und Motivation chinesischer Unternehmen gedämpft. „China will sich weiter für ausländische Unternehmen öffnen“, sagte Li. Ihm zufolge ist China dabei, die Industrialisierung, Urbanisierung, Modernisierung der Landwirtschaft und Kommunikation voranzutreiben. Für Deutschland und die Welt berge das große Chancen. Sein Land benötige eine Öffnung und Reformen sowie internationale Zusammenarbeit.

Deutsche Unternehmen sind schon heute sehr in China engagiert. Sie investierten zuletzt pro Jahr 35 Milliarden Euro in der Volksrepublik. Allerdings ist das bislang eher eine Einbahnstraße. Das Engagement chinesische Unternehmen belief sich zuletzt auf nur 1,2 Milliarden Euro. Li räumte ein, dass Unternehmen seines Landes ermutigt werden müssten, nach Deutschland zu gehen. Den deutschen Wirtschaftsvertretern sagte der Regierungschef eine privilegierte Partnerschaft in Bereichen wie Dienstleistungen und Gesundheitswesen zu. Beide Länder sollten verstärkt auch in der Logistik, der Bildung und Ausbildung sowie der medizinischen Betreuung zusammenarbeiten. „China ist gewillt, diesen Raum bevorzugt Deutschland zu eröffnen.“

Das war Musik in den Ohren von Wirtschaftsminister Rösler, der zuvor kräftig bei Li für den Wirtschaftsstandort Deutschland geworben hatte. Deutsche Unternehmen seien in der Lage, diese Herausforderungen bei der Umwelttechnologie, Energieeffizienz und in der Infrastruktur zu bewältigen, sagte Rösler an seinen chinesischen Kollegen gewandt. „Ich kann meine Hand dafür ins Feuer legen, dass man der deutschen Wirtschaft immer vertrauen kann. Die Chinesen sind in Deutschland auch als Investoren herzlich willkommen.“

Auch Li betonte, Deutschland und China seien gegen Protektionismus im Handel. Auf den Solarstreit mit der EU ging er aber nicht näher ein. Rösler wurde dagegen nach dem Treffen noch deutlicher. Er erteilte den geplanten Strafzöllen der EU gegen chinesische Solarmodule eine grundsätzliche Absage. Deutschland habe sich nach den Gesprächen mit den chinesischen Vertretern gegen diesen Schritt ausgesprochen und mit „Nein“ gestimmt. Es bestehe keine Notwendigkeit für Sanktionen. „Von offenen Märkten, freiem Handel und fairem Wettbewerb profitierten beide Länder“, sagte Rösler.

EU-Handelskommissar Karel De Gucht will am 6. Juni einen Strafzoll von 47 Prozent auf chinesische Solarmodule vorläufig einführen. Den Zoll nach sechs Monaten endgültig verhängen, könnte die Kommission nur mit Unterstützung der EU-Länder. Regierungskreisen zufolge lehnen mindestens 17 der 27 Länder das Vorhaben ab. Sie fürchten wegen des von deutschen Solarfirmen angestoßenen Vorgehens gegen Preisdumping Vergeltungsmaßnahmen Chinas gegen andere Industriezweige. Bereits am Sonntagabend hatte sich Bundeskanzlerin Merkel nach einem Gespräch mit Li für eine Beilegung des Streits ausgesprochen. Auch SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück plädierte nach einem Treffen mit dem chinesischen Ministerpräsidenten gegen Strafzölle. EU-Kommissar Günther Oettinger verteidigte hingegen die Brüsseler Anti-Dumping-Prüfung gegen Chinas Solarindustrie. „Es waren deutsche Unternehmen, die bei uns den Antrag gestellt haben zu prüfen“, sagte Oettinger. Auch Umweltminister Peter Altmaier (CDU) habe dies unterstützt. Aus Regierungskreisen war zu hören, Altmaier habe sich dafür eingesetzt, dass Deutschland sich bei der Entscheidung, ob die EU Strafzölle einführt oder nicht, enthalten solle.

Die weltweite Solarindustrie ächzt trotz des zeitweiligen Nachfragebooms seit zwei Jahren unter dem Preiskampf mit China. Dutzende Unternehmen gingen bereits pleite. Aber auch chinesische Solarfirmen schreiben tiefrote Zahlen – sie werden zum Teil nur mit staatlichen Hilfen am Leben erhalten. Die USA haben bereits Strafzölle gegen die Chinesen verhängt. Li gab sich überzeugt, dass China und die EU ihre „temporären Probleme“ überbrücken könnten – und verwies auf das deutsch-chinesische Verhältnis, das er mit den Flüssen Rhein und Jangtse verglich: „Beide Flüsse haben ihre Wendungen und Kurven, aber am Ende fließt das Wasser immer vorwärts.“