Arbeitsministerin Ursula von der Leyen wirbt in Hamburg für ihre Politik. Einen SPD-Vorstoß zur Quote lehnte von der Leyen im Bundestag ab.

Hamburg. Ursula von der Leyen kann das gut und macht das gerne. Sie erzählt eine Geschichte von sich. Diese zum Beispiel: Als sie 1987 fertig war mit ihrem Medizinstudium in Hannover, da standen sie und ihre Freundinnen vor den Toren dieser Arbeitswelt. Die jungen Ärztinnen, die im Schnitt ja auch alle schneller und besser studiert haben als ihre männlichen Kollegen. Von der Leyen erzählt, wie motiviert sie waren, wie sie sich gesagt haben: „Wir schaffen das!“ Die Arbeitsministerin steht am Rednerpult im Albert-Schäfer-Saal der Handelskammer in Hamburg und lässt nach diesem Satz eine kleine Pause. Ihre Stimme war ziemlich laut und energisch. Sie wird jetzt leiser, damit die Wucht des nächsten Satzes richtig plättet: „Wo sind die jungen Ärztinnen von damals heute? Wo sind meine Freundinnen von damals gelandet?“ Sie sagt: „Ich sehe sie nicht.“

Wenn Politiker vor Publikum Geschichten erzählen, dann sind die persönlichen Erlebnisse von damals immer auch politische Argumente für heute. Und damit das klar wird, liefert von der Leyen den etwa 400 Zuschauern im Saal noch die Zahlen dazu: Obwohl damals schon die Hälfte aller Medizinstudenten weiblich waren, landeten nur vier Prozent in Professorenjobs oder als Chefärzte in Krankenhäusern. Heute seien es gerade einmal 5,6 Prozent. Von der Leyens Botschaft ist klar: Nichts änderte sich, nichts passiert, nichts wird passieren — ohne gesetzliche Frauenquote. Sie erntet dafür jede Menge Applaus in der Handelskammer. Fast alle Zuschauer sind Frauen. Obwohl man, das verriet eine Organisatorin, genauso viele Männer eingeladen hatte.

Einen SPD-Vorstoß zur Quote lehnte von der Leyen im Bundestag ab

Von der Leyen wirbt seit zwei Jahren für die Quote — auch beim „Frauen Finanzforum“, organisiert von der Deutschen Bundesbank, der Handelskammer, dem Verein Finanzplatz Hamburg und dem Hamburger WeltWirtschaftsInstitut (HWWI). Zuletzt war sie mit ihrer Werbetour allerdings ziemlich alleine und in die Defensive gedrängt, als die CDU-Politikerin merkte, dass die Quote per Gesetz nicht zu machen ist mit vielen in ihrer Partei. Und mit fast keinem beim Koalitionspartner FDP.

Als der Bundestag im April über einen Gesetzesentwurf aus Hamburg für eine feste Frauenquote von 40 Prozent in den Aufsichtsräten bis 2018 abstimmte, votierte von der Leyen dagegen. Sie wusste, dass die Koalition auf dem Spiel steht, wenn sie ihre Truppen um sich sammelt und für den Antrag der Opposition stimmt.

Für viele war die CDU-Politikerin in dieser Zeit die „Solistin“ in der Koalition, sogar Putschistin. Von der Leyen sagt selbst, ihr sei die Entscheidung schwergefallen. Aber sie trete weiter für die Quote ein. Die CDU hätte sich darauf geeinigt, die Forderung nach einer gesetzlichen Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten bis 2020 in das Wahlprogramm aufzunehmen. Übel nimmt ihr das Votum gegen den SPD-Antrag für eine Quote an diesem Freitagvormittag in der Handelskammer offensichtlich niemand im Publikum. Es fragt auch keiner der anderen Rednerinnen und Redner nach, wie sie einen möglichen Koalitionspartner FDP davon überzeugen will. Und Ursula von der Leyen zündet schon die nächste Rakete für die Quote.

Eigentlich, sagt sie, müssten die Aufsichtsräte in Deutschland doch voll sein von Frauen. Von Frauen ohne Kinder. Denn schließlich sei ein Argument der Quotengegner doch immer gewesen, dass sich Kind und Karriere so schwer vereinbaren ließen. „Wo also sind die Frauen ohne Kinder in den Spitzenpositionen?“ Anscheinend liege es nicht an der mangelnden Betreuung der Kinder, dass Frauen so schwer in die entscheidenden Funktionen der Wirtschaft kommen, vor allem der Finanzwirtschaft. Applaus im Saal.

Nach von der Leyens Rede geht es auf dem Podium weiter. Professor Thomas Straubhaar vom HWWI sitzt dort, auch die Journalistin Maria Freifrau von Welser und der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke. Straubhaar bringt vor allem ökonomische Argumente mit auf die Bühne: Manager hätten versagt, man müsse debattieren über eine neue Führungskultur, Teilzeit in Spitzenjobs etwa. Frauen würden zeigen, dass Unternehmen auch wirtschaftlich von Frauen in Top-Jobs profitieren. Weihbischof Jaschke sagt noch einmal kurz, wie wichtig die Förderung von Frauen sei und dass in der Kirche zwar schon viel passiert sei, aber eben noch nicht genug. Vor allem aber Ursula von der Leyen redet, überzeugt. Viel Widerstand muss sie in der Handelskammer nicht befürchten.

Bei „Brigitte“ spricht von der Leyen über ihr Lächeln und George Clooney

Auch am Nachmittag nicht, als sie wieder auf einer Bühne sitzt. Diesmal allein, neben ihr nur die beiden Chefredakteurinnen der „Brigitte“. Die Frauenzeitschrift hat die Arbeitsministerin eingeladen zum Live-Talk in den Hamburger Kammerspielen. Und von der Leyen muss am Anfang erst einmal über ihr viel diskutiertes Lächeln reden, ihr Markenzeichen, wie die Redakteurinnen meinen. Es geht in der guten Stunde danach viel um den harten Umgangston in der Politik, ihr Treffen mit George Clooney, aber auch über ihr Leben als Politikerin mit sieben Kindern. Von der Leyen erzählt viel — darüber, wie wichtig ihr Mann zu Hause ist, wie sie nun gemeinsam mit ihrem Vater leben, der an Alzheimer erkrankt ist, und warum Merkel die richtige Kanzlerin für die CDU ist. Von der Leyen lacht viel, auch mit dem Publikum. Wieder ein Heimspiel. Kurz fragen die Journalistinnen die CDU-Politikerin zur Quote. Ursula von der Leyen erzählt dann noch einmal die Geschichte von ihr und den jungen Ärztinnen. „Wo sind sie heute?“