Millionenlöcher und Mogelpackungen – Opposition attackiert Verteidigungsminister Thomas de Maizière wegen gescheiterten Drohnenprojektes

Berlin. Thomas de Maizière ließ sich nichts anmerken. Nach seiner Regierungserklärung im Parlament saß der Bundesminister der Verteidigung mit unbewegter Miene auf der Regierungsbank, blätterte konzentriert in seinen Unterlagen und fügte mit der grünen Tinte des Ressortchefs fein säuberlich Anmerkungen ein. Er bot genau jenes Bild, das die meisten Bürger von dem CDU-Politiker gewonnen haben: das eines akribischen Aktenarbeiters, der seine Aufgaben effizient, besonnen und gekonnt erledigt. Natürlich, eine besonders schillernde Figur ist dieser Minister nicht, das hatte sein sachlich-nüchtern gehaltener Vortrag zum Stand der Bundeswehrreform gerade einmal mehr unterstrichen. Aber in diesen unruhigen Zeiten kommt es weniger auf Unterhaltungswert als auf Seriosität an.

Was nicht zu diesem Bild des grundsoliden Handwerkers der Macht passen wollte, waren die Reden der Opposition. Die klangen eher so, als säße noch de Maizières affärengeplagter Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) auf der Regierungsbank. Von Täuschung, Millionenlöchern und Mogelpackungen bei der Bundeswehr war da die Rede. Von Konservativen heiße es ja eigentlich, sagte der Grüne Omid Nouripour, sie würden sich mit Sicherheitspolitik und Geld auskennen. Mit Blick auf de Maizière ätzte Nouripour, er sei nun eines Besseren belehrt worden: „Konservative können keine Sicherheit, und sie können auch nicht mit Geld umgehen. Diese Regierung ist ein Risiko für die nationale Sicherheit.“

Die Vorlage für diesen Frontalangriff auf den konservativen Musterknaben de Maizière lieferte das Projekt Euro Hawk. Das Verteidigungsministerium hatte die Beschaffung des größten unbemannten Flugzeugs der Welt am Dienstag wegen massiver Probleme bei der Zulassung für den europäischen Luftraum gestoppt. Bis zu 680 Millionen Euro Steuergelder wurden dadurch nach Schätzungen der Opposition verbrannt. Die Bundeswehr hatte einen Prototypen der Aufklärungsdrohne beim US-Rüstungskonzern Northrop Grumman gekauft, aber keine ausreichenden Unterlagen für den Betrieb im europäischen Luftraum erhalten.

Die Alleinschuld am Scheitern des ambitionierten Projektes lässt sich de Maizière nicht zuschieben. Die Pläne für den Drohnenkauf wurden noch unter der rot-grünen Regierung angeschoben, der Vertrag 2007 in der Großen Koalition von CDU-Minister Franz-Josef Jung und seinem SPD-Staatssekretär abgeschlossen. Der Vorwurf lautet vielmehr: Der aktuelle Minister habe seit 2011 von den Problemen wissen müssen, das Projekt aber dennoch weiter vorantreiben und finanzieren lassen. Eine Art Konkursverschleppung also.

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold, warf de Maizière vor, sowohl das Parlament als auch das eigene Kabinett „getäuscht“ zu haben. Noch in dem vergangene Woche vom Kabinett gebilligten Zwischenbericht zur Bundeswehrreform sei die Beschaffung von fünf Euro Hawks für die Bundeswehr sowie von vier ähnlichen Global Hawks für die Nato vorgesehen gewesen. Nouripour ergänzte, bereits vor zwei Jahren sei in Fachkreisen auf die Zulassungsproblematik hingewiesen worden. Er frage sich, warum der für Rüstung zuständige Staatssekretär Stéphane Beemelmans das nicht mitbekommen habe – und außerdem nicht beziffern könne, wie groß der finanzielle Schaden tatsächlich ist: „Sie haben ein Millionenloch gegraben, von dem Sie selbst nicht wissen, wie tief es ist.“

De Maizière war in seiner Rede nur kurz auf den Euro Hawk eingegangen. Tauchten bei einem Rüstungsprojekt Probleme auf, werde zunächst daran gearbeitet, diese zu lösen, sagte der Minister in seiner Regierungserklärung. Ließen sich die Schwierigkeiten nicht beheben, dann werde die Reißleine gezogen. Dieses Vorgehen werde das Verteidigungsministerium auch im Fall des Euro Hawk dokumentieren, und zwar „chronologisch genau“.

Das reicht der Opposition nicht, und auch von außerhalb des Parlamentes kamen weiter gehende Forderungen. Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, verlangte, dass „aus dem Drohnendesaster personelle und strukturelle Konsequenzen gezogen werden müssen. Die Verantwortlichen im Verteidigungsministerium müssen ihren Hut nehmen.“ Außerdem müssten ganz generell offensichtliche Defizite bei der Beschaffung von Rüstungsgütern behoben werden. „Ein durchgehendes und wirksames Risikomanagement bei der milliardenschweren Rüstungsbeschaffung ist unverzichtbar“, sagte Holznagel. Dass dieses bisher fehle, belege nicht nur der „Euro-Hawk-Flop“, sondern auch die drohende Pleite beim Flugabwehrsystem Meads. Dort stehe mehr als eine Milliarde Euro auf der Kippe.

Genau diese Strukturverbesserung versucht der Minister mit seiner Neuausrichtung der Bundeswehr. Die war noch von Guttenberg Mitte 2010 in die Wege geleitet worden: Zum 1. Juli 2011 wurde die Wehrpflicht ausgesetzt, die Truppenstärke soll von einst 250.000 auf bis zu 185.000 Soldaten verringert werden – was fast geschafft ist. Zudem ist die Schließung zahlreicher Standorte sowie eben die Straffung der Organisationsstrukturen vorgesehen. Dabei sei man trotz aller Schwierigkeiten auf einem guten Weg, sagte de Maizière. Bis Ende dieses Jahres werde etwa die Hälfte der neuen Organisationselemente einsatzfähig sein, bis 2017 wolle man weitgehend fertig sein.

SPD, Grüne und Linke wiesen auch bei diesem Projekt zwar auf manche Missstände hin. Allerdings versäumten sie es, Alternativen aufzuzeigen. SPD-Mann Arnold etwa hat zwölf Minuten lang Probleme angeprangert, aber keinen einzigen Vorschlag zur Neuausrichtung unterbreitet.