Kassen-Gutachter bestätigen jeden dritten Verdacht auf Ärztepfusch. Oft Kette von Versäumnissen

Berlin. Jeder dritte Verdacht auf einen ärztlichen Behandlungsfehler ist berechtigt. Das ergibt sich aus den Zahlen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK), der im vergangenen Jahr rund 12.500 Gutachten bei vermuteten Behandlungsfehlern erstellte. Dabei bestätigten die Gutachter in 31,5 Prozent der Fälle, dass es einen Behandlungsfehler gab. Rund zwei Drittel der Vorwürfe richteten sich gegen Krankenhäuser, davon wurden 30 Prozent bestätigt. Ein Drittel betraf niedergelassene Ärzte, hier waren 36 Prozent der Fehler-Vorwürfe berechtigt.

Versicherte haben das Recht, sich an ihre Krankenkassen zu wenden, wenn sie einen Behandlungsfehler vermuten, um ein kostenloses Gutachten des Medizinischen Dienstes zu beantragen. Seit dem Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes vor drei Monaten sind die Kassen verpflichtet, ihre Mitglieder darüber zu informieren.

Die meisten Vorwürfe erheben Patienten im Zusammenhang mit Operationen. So sind die Fächer Orthopädie und Chirurgie besonders betroffen. Danach folgen Zahnmedizin, Innere Medizin und Gynäkologie. Laut MDK-Statistik traten die meisten Fehler bei der Wurzelbehandlung von Zähnen auf, gefolgt von Operationen für den Ersatz von Hüft- und Kniegelenken. Die Zahl der Vorwürfe und die Quote der bestätigten Behandlungsfehler liege auf nahezu unverändertem Niveau, erklärte der stellvertretende Geschäftsführer des MDS, Stefan Gronemeyer. Dies zeige, dass es beim Thema Behandlungsfehler nach wie vor großen Handlungsbedarf gebe.

Häufig sei nicht ein einzelner Arzt schuld an einem Behandlungsfehler. Vielmehr sei der Fehler oft Folge einer Kette von Versäumnissen. In 20 Prozent der Fälle wiesen die Gutachter nach, dass die fehlerhafte Behandlung tatsächlich der Grund für einen gesundheitlichen Schaden beim Patienten war. Erst mit diesem Nachweis können Patienten eine Schadenersatzklage anstrengen. Die Dunkelziffer sei hoch, sagte Astrid Zobel, Leitende Ärztin des MDK Bayern. Es gebe Fehler, die gar nicht erkannt würden. Der MDK erfasst auch nur die Fälle, in denen sich Patienten an ihre Krankenkassen wenden. „Insofern bleibt die Gesamtzahl der Behandlungsfehler in Deutschland nach wie vor im Dunkeln“, sagte Zobel. Außerdem wurden bei den Gutachterstellen der Ärzte 2012 Patienten in rund 11.000 Fällen vorstellig. Ungezählte Fälle bei Gerichten und Versicherungen kommen hinzu.

Die Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen kritisierten das kürzlich in Kraft getretene Patientenrechtegesetz. Dieses habe die Situation der Patienten nur teilweise verbessert, sagte MDS-Vize Gronemeyer. Er forderte, die Beweislast für Patienten zu erleichtern. Außerdem fehle ein bundesweites Behandlungsfehlerregister, in dem die Daten aller beteiligten Institutionen zusammengeführt werden könnten. Defizite bestünden auch in der Umsetzung konkreter Maßnahmen zur Verbesserung der Patientensicherheit: wie die Anwendung von Checklisten und Teamtrainings.