Bislang werden nur 1,5 Prozent aller Container im Hamburger Hafen über die Oberelbe verschifft. Eine Strategie von Bund und Ländern soll Umweltschutz und Verkehr vorantreiben. Aber geht beides?

Hamburg. In Tschechien gibt es kein Meer, keinen Strand, keinen großen Hafen. Und trotzdem sagen die Menschen „Ahoj“, wenn sie sich begrüßen. Böhmische Schiffer brachten das „Ahoj“ Elbe und Moldau hinauf in Richtung Prag. Und weil die Tschechen selbst keinen Ozean vor der Tür haben, ist der Moldauhafen in Hamburg für sie umso wichtiger. Seit 1929 pachtet der tschechische Staat das 30.000 Quadratmeter große Gebiet direkt gegenüber der neuen HafenCity. Doch seit Jahren tut sich dort wenig, die Fläche liegt brach, Schiffe legen dort nicht mehr an.

Nun aber steht das tschechische Verkehrsministerium kurz vor dem Abschluss mit einem privaten Unternehmen, das ab Anfang Juni das Gebiet im Hamburger Hafen künftig betreiben soll. Und wieder beleben soll. Das bestätigten Vertreter des tschechischen Verkehrsministeriums dem Hamburger Abendblatt. Denn schon heute werden 60 Prozent aller tschechischen Container für den Im- und Export in Hamburger Terminals umgeschlagen. 2012 waren es rund 250.000 Container.

Doch die Tschechen wollen noch mehr. Vergangene Woche besuchten Vertreter des tschechischen Senats und des Verkehrsministeriums Hamburg. Sie sahen die Airbus-Werke, das moderne Containerterminal in Altenwerder, besichtigten die Elbphilharmonie und die Landungsbrücken, sie trafen Vertreter der Handelskammer und Wirtschaftssenator Frank Horch. Im Gespräch mit dem Senator machten sie noch einmal die Bedeutung der Elbe deutlich – für den Import, den Export nach Asien oder Amerika, aber auch für den Elbe-Tourismus, Segler und Yachtbesitzer etwa aus Prag. „Wir streben ein Abkommen mit Deutschland über die Nutzung der Elbe an“, sagt Jan Vlcek vom Verkehrsministerium. Bisher gibt es zwischen beiden Staaten nur ein loses Memorandum aus dem Jahr 2006. Der Ausbau und die Vertiefung der Elbe vor allem im tschechischen Grenzgebiet sind für Tschechien äußerst wichtig. „Wir brauchen Garantien.“ Die Tschechen rechnen damit, dass sie in wenigen Jahren mit dem Bau der umstrittenen Staustufen im Grenzgebiet beginnen können. Umweltschützer protestieren seit Jahren gegen den Damm, der nur etwa 15 Kilometer von der deutsch-tschechischen Grenze entfernt wäre. Er gefährdet ihrer Ansicht nach die unberührte Natur des Elbtals.

Doch wie viele Schiffe werden in Zukunft wirklich die Elbe hoch in Richtung Tschechien fahren und zurück über Hamburg bis zur Nordsee? Bislang werden laut Verkehrsministerium in Berlin nur 1,5 Prozent aller Container im Hamburger Hafen über die Oberelbe verschifft, Ziel seien fünf Prozent. Schon jetzt investiert der Bund pro Jahr 25 Millionen Euro für Baggerarbeiten in flachen Elbabschnitten zwischen Sachsen und Geesthacht. Dabei geht es nur darum, dass die geringe Tiefe überhaupt noch gehalten werden kann.

Und schnell wird auch der deutschen Seite klar: Was für den Moldauhafen in Hamburg gilt, gilt eigentlich für die gesamte Oberelbe von Hamburg bis nach Tschechien: Es passiert wenig – im Dauerstreit zwischen Bund, Anrainer-Bundesländern, Umweltschützern und Unternehmerverbänden. Aber soll überhaupt mehr Schiffsverkehr die Elbe in Richtung Tschechien hochfahren?

Schon seit 1996 ist von einem Elbe-Gesamtkonzept die Rede. Jetzt sieht es danach aus, dass Bund und Länder erstmals vor Abschluss einer Gesamtstrategie für die Zukunft der Elbe stehen. Ein Eckpunktepapier ist dafür bereits ausgearbeitet, es liegt dem Hamburger Abendblatt vor. Anfang März trafen sich Ministerialbeamte, Staatssekretäre und Wasserbauexperten und Vertreter der Umweltverbände in Magdeburg. Zwei Tage lang diskutierten sie über die Zukunft der Elbe. Das Strategiepapier ist auch Ergebnis dieser Tagung. Es liest sich wie ein großer Kompromiss. Mit Vorteilen für die Umweltschützer.

Vor allem eine Frage soll in einem Gesamtkonzept für die Elbe beantwortet werden: Wie sind Verkehr und Umweltschutz zu vereinen? So gibt die Bundesregierung beispielsweise 1,5 Millionen Euro bis 2016 aus, um Binnenschiffe mit emissionsärmeren Motoren auszustatten. Es ist ein Weg, der Ökonomie und Ökologie hilft. Es ist ein Weg aus dem Stillstand auf der Elbe.

Viel ist im Strategiepapier vor allem von Ökologie die Rede. Der über weite Strecken noch frei fließende Fluss und seine Auenlandschaft sollen erhalten bleiben, die Erosion des Flussbetts bekämpft und die Deiche gegen Hochwasser geschützt werden. Und bei all dem soll der Güterverkehr per Schiff vorangebracht werden. Wie das am Ende erreicht werden soll, dafür gibt es bisher wenig konkrete Antworten. Und ein paar Absichten.

Vor allem ein Thema ist nach wie vor heikel: der Ausbau der Fahrrinne, die Vertiefung der Elbe. „Derzeit entsprechen die Fahrrinnentiefenverhältnisse streckenweise nicht dauerhaft dem angestrebten Ziel“, heißt es im Strategiepapier. Seit 20 Jahren versucht man für die Oberelbe an 345 Tagen im Jahr eine Fahrrinnenmindesttiefe von 1,60 Metern zu garantieren. Das ist bisher nicht gelungen, die Wasserstände schwanken. Auf 500 Kilometern Elbe flussaufwärts gibt es zwischen Geesthacht und tschechischer Grenze keine Staustufe, die den Pegelstand des Flusses steuern könnte. Oft sind Schiffe nur halb beladen oder können aufgrund geringer Wassertiefe nicht den gesamten Tag fahren. Und dem Bund, verantwortlich für den Ausbau der Wasserstraßen, fehlt das Geld. Auch im Strategiepapier ist von Kosten und Investitionshöhe noch keine Rede. Dafür halten Bund und Anrainer-Länder aber fest: Einen Ausbau der Elbe soll es in Zukunft nicht geben, zumindest nicht ausschließlich für einen besseren Güterverkehr. Sprich: Verkehrliche Maßnahmen nur, wenn sie auch der Natur guttun. Auf Nachfrage des Abendblatts im Bundesverkehrsministerium heißt es zudem: „Eine Vertiefung der Binnenelbe ist derzeit nicht geplant.“ Niedersachsens neue rot-grüne Regierung sperrt sich sogar gegen jede Art des Ausbaus der Elbe. Nicht nur im Eckpunktepapier, sondern auch im rot-grünen Koalitionsvertrag für Niedersachsen. Zwar trage man den noch von der schwarz-gelben Regierung in Hannover unterstützten Ausbau der Unterelbe zwischen Hamburg und Cuxhaven mit, bestätigt ein Sprecher der Staatskanzlei dem Abendblatt. Mehr aber auch nicht.

Sehr viel konkreter als die Schritte zur Verbesserung des Verkehrs sind die ökologischen Ziele in dem Papier von Bund und Ländern. Das lobt auch der Naturschutzbund Nabu. Europäische Richtlinien sollen umgesetzt werden, Maßnahmen im Kampf gegen Bodenerosionen laufen derzeit an. Verliert der Verkehr am Ende gegen die Natur? Der Wandsbeker CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Klimke begleitete die Delegation aus Tschechien bei ihrem Besuch in Hamburg. Für Klimke ist klar: „Gerade im Dialog mit den tschechischen Partnern sehen wir, wie wichtig die Elbe als Verkehrsweg, aber auch als touristisches Projekt ist.“ Im Gesamtkonzept Elbe hätten Bund und Länder nun erstmals wichtige wirtschaftliche und ökologische Ziele festgeschrieben. Das Konzept müsse nun nur noch vom Parlament verabschiedet werden. Am besten bis zum Herbst, vor der Bundestagswahl. Danach könne man mit konkreten Maßnahmen für Verkehr und Umwelt beginnen. Mehr kann auch Klimke seinen Besuchern aus Prag im Moment nicht versprechen.