Presse und Sender berichten intensiv über NSU-Prozess und kritisieren Deutschland

Istanbul. Die türkische Presse hat den Auftakt des Münchner NSU-Prozesses intensiv verfolgt. Zeitungen, aber auch das Fernsehen mit Diskussionsrunden zum Thema erklärten den Fall, in dem es um Morde vor allem an Türken geht, verübt durch Deutsche der rechten Terrorzelle NSU, motiviert von Rassismus und Fremdenhass. „Stimmt es, dass die Deutschen so rassistisch sind?“, wurde ein Reporter beim Einkaufen gefragt, und das Gespräch kam vom NSU-Thema bald zur Frage der erschwerten Visum-Vergabe für zuziehende türkische Familienangehörige nach Deutschland. Da war deutlich zu spüren: Nach Auffassung vieler Türken sind die Morde an Türken und die Schwierigkeiten, ein Visum für Deutschland zu erhalten, zwei Seiten derselben Medaille.

„Stolze Nazi“, titelte das türkische Massenblatt „Hürriyet“, und auf den Innenseiten noch mal: „Die Show der Nazi-Braut“. Auf einer Großaufnahme aus dem Gerichtssaal wurden die Teilnehmer gekennzeichnet: Anwälte und Angehörige der Opfer hier, Staatsanwälte da, und „hier die Nazi-Braut“. Damit hat Beate Zschäpe in der Türkei nun wohl ihren Spitznamen für die Boulevard-Berichterstattung. Die Zeitung „Türkiye“ titelte fast identisch: „Die stolze Show der Nazi-Braut.“ Es ging darum, dass die Hauptangeklagte den Pressekameras im Gerichtssaal den Rücken zugekehrt und sich von der Körpersprache und Mimik her sichtlich unbeschwert gegeben hatte.

Die Zeitung „Zaman“ erwähnte, dass der norwegische Massenmörder Anders Breivik der Hauptangeklagten im vergangenen Jahr geschrieben und sie dabei als „Liebe Schwester“ angesprochen habe. Er habe sie in dem Brief ermuntert, den Prozess zu nutzen, um rechtsextreme Ideologie zu verbreiten.

„13 Jahre auf diesen Tag gewartet“, titelte die Zeitung „Aksam“. Die Berichterstattung resümierte die Pannen und Peinlichkeiten des Falles: verpatzte Ermittlungen, die Ablehnung der Erwägung von Rassismus als Tatmotiv, fehlerhafte Kommunikation der Sicherheitsdienste, Versagen bei der Überwachung rechtsextremer Gruppen. „Sabah“ bebilderte ihren doppelseitigen Bericht mit einer Fotomontage, auf der nebeneinander die lässig im Gerichtssaal stehende Beate Zschäpe und eine von deutschen Polizisten festgenommene, ihre Wut herausschreiende türkische Demonstrantin vor dem Gericht gezeigt wurden. Das fasst die Stimmung des Tages in den türkischen Medien zusammen – der gegenüber Rechtsextremisten nachlässige, gegen Türken aber hart durchgreifende deutsche Staat, und eben die „stolze Nazi-Braut“.