Finanzminister demonstrieren Eintracht – trotz der Spannungen der vergangenen Wochen

Berlin. Ein Student brachte es gut auf den Punkt. „Ich hätte doch größere Meinungsverschiedenheit zwischen ihnen beiden erwartet“, sagte er an Wolfgang Schäuble (CDU) und Pierre Moscovici gerichtet. Die Finanzminister Deutschlands und Frankreichs diskutierten am Dienstag anlässlich des 25. Jubiläums des deutschen-französischen Wirtschaftsrates mit Studenten der FU Berlin über die Zukunft Europas. Von den Streitereien zwischen beiden Ländern der vergangenen Wochen war an diesem Tag wenig zu spüren.

Aber die Staaten ziehen seit Monaten nicht an einem Strang. Den Fiskalpakt – das zentrale Projekt von Kanzlerin Angela Merkel in der Euro-Rettung – wollte Präsident François Hollande noch im Wahlkampf rückgängig machen. Seine Vorschläge, das Wachstum in den Krisen-Ländern im Süden Europas mit teuren Investitionsprogrammen zu fördern, hat wiederum Deutschland nur zögernd angenommen.

Zunächst schien es am Dienstag so, als ob dieser Streit zwischen beiden Ländern weiterginge. Moscovici betonte mehrfach in seiner Rede, wie wichtig neben Reformen Wachstum sei, um aus dem Schuldensumpf herauszukommen. Der Beschluss der EU-Kommission vom Sonntag, Frankreich zwei Jahre mehr Zeit zum Abbau seiner Defizite zu geben, räume dem Land mehr Flexibilität ein, um die Konsolidierung im Einklang mit dem Wirtschaftswachstum voranzutreiben: „Dahinter steht auch eine Kursänderung, die das Wachstum in Europa besser berücksichtigt“, sagte Moscovici. Schäuble saß regungslos daneben und verzog keine Miene.

Der Finanzminister widersprach in seiner Rede seinem Kollegen zwar mit keiner Silbe, setzte aber doch ganz andere Schwerpunkte. Er sprach von der hohen Jugendarbeitslosigkeit in vielen Ländern, die ihm Sorge bereite. Und wo Moscovici über Spekulationen der Finanzmärkte sinnierte, verwies der Bundesfinanzminister auf die institutionellen, also hausgemachten Probleme vieler Euro-Länder. Außerdem müssten bei der Euro-Rettung Fehlanreize vermieden werden. Da war er wieder, der gestrenge Deutsche. „Und wenn wir in einzelnen Fragen unterschiedliche Meinungen haben, können wir voneinander lernen“, sagte Schäuble mit Blick auf die deutsch-französischen Beziehungen.

In der Fragestunde mit den Studenten ging Schäuble dann aber einen große Schritt auf seinen Kollegen zu. In Europa habe immer Einigkeit bestanden, dass zwischen Wachstum und Haushaltskonsolidierung die Balance stimmen müsse. Von einer „Kursänderung“ wie Moscovici wollte Schäuble aber nicht sprechen. Der Finanzminister stützte ausdrücklich das Vorgehen der EU-Kommission und zeigte Verständnis für eine Fristverlängerung zur Reduzierung des Haushaltsdefizits.

Die Studenten brachten in ihren Fragen einige Sorgen zum Ausdruck, die derzeit viele Europäer umtreiben. Einer beschrieb, wie sich das Deutschland-Bild im Ausland stark ins Negative gedreht habe. Ein anderer sah die Gefahr, dass die Finanzmärkte nicht streng genug reguliert würden. Damit traf er einen wunden Punkt. So droht die Bankenregulierung Basel-III durchlöchert zu werden, und auch bei der Bankenunion gibt es offene Fragen. Immerhin: Hier wollen Deutschland und Frankreich aufs Tempo drücken. Bis zum EU-Gipfel im Juni wolle man möglichst weit mit der Bankenunion vorangekommen sein, sagte Moscovici.