Berlin. Der vielfach befürchtete Massenansturm von osteuropäischen Arbeitskräften auf den deutschen Arbeitsmarkt ist bislang ausgeblieben. In den zwei Jahren seit Öffnung der Grenzen am 1. Mai 2011 kamen per saldo 100.856 Zuwanderer aus den acht osteuropäischen Beitrittsländern. Das geht aus dem Wanderungsmonitor des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hervor. Im gleichen Zeitraum (bis Februar 2013) stieg die Zahl der Beschäftigten aus Osteuropa nach einer Bilanz der Bundesagentur für Arbeit (BA) um 133.000 oder 59 Prozent auf rund 360.000. Der Anteil der osteuropäischen Beschäftigten lag damit aber gerade einmal bei 1,1 Prozent. Der weit überwiegende Teil kam nach BA-Angaben aus Polen.

Vor der Einführung der Freizügigkeit hatte es große Befürchtungen gegeben, Osteuropäer könnten in Massen auf den deutschen Arbeitsmarkt drängen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hatte eine Netto-Zuwanderung von bis zu 140.000 Osteuropäern im Jahr vorhergesagt, andere Institute hatten gar eine Bugwelle von 800.000 Arbeitskräften in den ersten zwei Jahren nach der Freizügigkeit prophezeit. Gewerkschaften warnten, durch die Zuwanderer könnte sich der Druck auf die Löhne noch erhöhen. Als Polen, Tschechien, die Slowakei, Slowenien, Ungarn und die drei baltischen Staaten 2004 in die Europäische Union aufgenommen wurden, nutzte Deutschland eine Sonderregelung und schottete seinen Arbeitsmarkt für die neuen EU-Mitglieder weitere sieben Jahre ab. Viele mobile Osteuropäer wanderten daraufhin in andere EU-Länder, die ihnen sofort Freizügigkeit gewährten. In Deutschland konnten sie im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit nur als Selbstständige arbeiten.

Aber auch für Südeuropäer wird Deutschland immer attraktiver: In den vergangenen zwölf Monaten erhöhte sich die Beschäftigung von Personen aus den südeuropäischen Krisenstaaten Griechenland, Italien, Portugal und Spanien um 34.000 oder acht Prozent. Migrationsexperten wie BA-Vorstand Raimund Becker warnen davor, angesichts des Fachkräftemangels allein auf Zuwanderer aus der EU zu setzen. „Die anderen Staaten in Europa werden in den nächsten Jahren vor den gleichen demografischen Herausforderungen stehen wie wir.“ Daher müsse es auch eine Strategie für die gesteuerte Zuwanderung von Fachkräften aus Drittstaaten außerhalb der EU geben. Nach Schätzungen des IAB wird das Erwerbspersonenpotenzial in Deutschland bis zum Jahr 2035 um 5,4 Millionen schrumpfen – selbst bei einer Nettozuwanderung von 200.000 Menschen.