Verfahren gegen Rechts-Terroristen könnte zu politischem Prozess werden

München. Unmittelbar vor dem Beginn des NSU-Prozesses in München haben Nebenkläger eine umfassende Aufklärung der Hintergründe des Neonazi-Terrors gefordert. Auch das Versagen staatlicher Stellen und das Umfeld des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) müssten in dem Mordprozess behandelt werden, verlangten mehrere Nebenklage-Anwälte am Sonntag in einer gemeinsamen Erklärung. „Es geht nicht darum, in möglichst kurzer Zeit maximale Strafen zu erreichen, sondern um möglichst umfassende Aufklärung“, sagte die Münchner Anwältin Angelika Lex, die die Witwe eines Opfers vertritt.

Vom heutigen Montag an sollen sich die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe sowie vier mögliche Helfer des NSU vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts München verantworten. Zschäpe wird Mittäterschaft an sämtlichen Taten der Terrorgruppe vorgeworfen – darunter neun Morde an Geschäftsleuten türkischer und griechischer Herkunft, der Mord an einer Polizistin und zwei Sprengstoffanschläge. Mehr als 13 Jahre lang hatte Zschäpe mit ihren mutmaßlichen Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt unter falschen Identitäten gelebt. Mundlos und Böhnhardt hatten sich im November 2011 bei Eisenach selbst getötet, um einer Festnahme zu entgehen. Zschäpe zündete am gleichen Tag die gemeinsame Wohnung in Zwickau an. Im Schutt wurden mehrere Waffen gefunden, die bei den NSU-Morden verwendet wurden.

„Wir glauben, dass der NSU eben nicht aus drei besonders gefährlichen Rechtsradikalen bestand“, sagte der Berliner Anwalt Sebastian Scharmer. Mehr als 100 Personen stünden im Verdacht, die Gruppe unterstützt zu haben. Fraglich sei auch der Anteil von Ermittlungsbehörden und Nachrichtendiensten – etwa, ob es Zahlungen an V-Leute gab, die indirekt zur Finanzierung der Gruppe genutzt wurden, sagte Scharmer. „Das ist Thema, und wir werden es zum Thema machen. Man kann uns zulässige Fragen nicht verbieten. Insofern geht es uns nicht nur um die Tatschuld der Angeklagten.“

Bei den Angehörigen habe die Neonazi-Terrorserie zu einem erheblichen Verlust des Vertrauens in den Rechtsstaat geführt, sagte Anwältin Lex. Der Prozess sei eine „einmalige Chance“, dieses Vertrauen und den Rechtsfrieden wiederherzustellen. Auch Rechtsanwalt Scharmer formulierte hohe Erwartungen: „Wir erhoffen uns am Ende des Verfahrens nicht nur eine Verurteilung der Angeklagten, wir erhoffen uns nicht nur eine umfassende Aufklärung – wir erhoffen uns auch eine gesellschaftliche Diskussion über das Grundproblem der rechten Gewalt und über Rassismus in Deutschland.“

Die Polizei intensivierte derweil vor Prozessbeginn ihre Sicherheitsvorkehrungen in München. Beamte überwachten am Wochenende das Gelände um das Justizgebäude. Rund 500 Polizisten sollen am Montag einen störungsfreien Prozessauftakt garantieren. Zu Demonstrationen gegen Rassismus und rechte Gewalt beim Prozessauftakt erwarten die Veranstalter rund 1000 Teilnehmer.