Politiker muss mit einem Parteirauswurf rechnen. Doch die SPD lässt sich Zeit

Stuttgart. Es war ein wichtiger Auftritt für Philipp Rösler, manche glaubten sogar, einer der wichtigsten seiner Karriere. Beim Dreikönigstreffen der Liberalen im Januar in Stuttgart wollte der schwer angeschlagene Parteichef mit einer programmatischen Rede für Vertrauen werben. Er sprach darüber, wie notwendig es sei, den gängelnden Staat in seine Grenzen zu weisen, und wie wichtig der Zusammenhalt im gerade angebrochenen Superwahljahr.

Plötzlich pöbelte aus den Zuschauerrängen eine Stimme, die selbst in der Fernsehübertragung zu hören war: „Rösler, du bist ein Arschloch.“ Dieser reagierte souverän, sagte lächelnd: „Man kann das auch höflicher formulieren, dass man sich nicht so sehr schätzt“, und trank erst mal einen Schluck Wasser. Doch der Mann zeterte weiter, die Vokabel „Volksverräter“ fiel. Rösler rief unter Applaus daraufhin 2013 zum „Jahr der Höflichkeit und des Anstands“ aus.

Die Schiedskommission der SPD sucht noch immer nach einem Termin

Diese Zwischenrufe könnte der Störer, ein Schüler aus Südbaden, noch bereuen. Denn Rösler hat nicht nur Anzeige wegen Beleidigung erstattet. Der 19-jährige Helmut W. aus dem Kreis Rottweil ist auch Mitglied bei den Jusos – und die Mutterpartei SPD fand das Verhalten ihres Nachwuchses „unerträglich“. Mehr noch: Sie leitete ein Disziplinarverfahren ein gegen den jungen Mann, der seit zwei Jahren Juso ist und, wie Genossen berichten, durchaus engagiert.

Bisher hat das Schiedsgericht die Sache aber noch nicht behandelt. „Die Sache geht ihren normalen Gang. Das Verfahren läuft“, sagte ein SPD-Sprecher. Die Schiedskommission müsse noch einen Termin finden. Helmut W. war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Viele empfanden aber bereits das Wort „Volksverräter“ mit seiner rechtsextremen Intonation als völlig fehlgeleitet.

Doch bei Facebook verlor W. nun komplett jedes Maß: Er montierte Porträts von sich und Philipp Rösler in ein berühmtes wie berüchtigtes Foto aus dem Vietnamkrieg, auf dem ein südvietnamesischer General einen Widerstandskämpfer per Kopfschuss hinrichtet. In der Montage war nun der in Vietnam geborene Rösler der „Mörder von Saigon“, W.s grinsendes Gesicht der Vietkong. Und zwischen ihnen, über der schussbereiten Waffe, hing die Sprechblase: „Man kann das auch höflicher ausdrücken.“