Vor dem Treffen der FDP in Nürnberg fürchten Kritiker die Sozialdemokratisierung ihrer Partei

Berlin. Der Streit über einen Mindestlohn-Beschluss spitzt sich vor dem Bundesparteitag der Liberalen zu. Der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Patrick Meinhardt, warnte vor einer Sozialdemokratisierung seiner Partei. „Deutschland braucht beim Mindestlohn keine fünfte sozialdemokratische Partei, sondern eine Kraft, die aus innerer Überzeugung und mit Leidenschaft für eine menschliche Marktwirtschaft kämpft und mit gelebter Ordnungspolitik Chancengerechtigkeit umsetzt“, sagte er.

Ein politisch festgelegter allgemeiner Mindestlohn sei dabei genauso schädlich wie branchen- oder regionalspezifische Lohnuntergrenzen, so der FDP-Politiker. Wenn die Politik irgendwelche Kommissionen einsetze, dann werde sie auch Einfluss nehmen. Meinhardt bekräftigt: „Die Tarifparteien sind zuständig – und sonst gar niemand. Es ist erkämpftes Recht, dass sich die Politik hier heraushalten soll.“ Man brauche in der Wirtschafts- und Sozialpolitik ein klares Profil. „Ich fordere meine FDP auf, ihrer Linie beim Mindestlohn treu zu bleiben.“

Es wird spannend am Wochenende: Parteichef Philipp Rösler, Fraktionschef Rainer Brüderle und der nordrhein-westfälische Landesverband streben einen Beschluss beim FDP-Treffen in Nürnberg an, der die Partei grundsätzlich der Thematik öffnen soll. Dabei soll es nicht um staatlich festgelegte Einheitslöhne gehen. Erst am Montag hatte Brüderle die Haltung der Parteispitze verteidigt. Er schlug regionale und branchenspezifische Mindestlohnfestlegungen einer unabhängigen Kommission mit Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Gesellschaft vor.

Zu den Gegnern dieser Lösung zählen führende Liberale wie FDP-Vizechef Holger Zastrow aus Sachsen. Die Jungen Liberalen kündigten ihren Widerstand an. Juli-Vorsitzender Lasse Becker sagte: „Egal ob man Mindestlöhne jetzt in der FDP Lohnuntergrenzen nennt: Sie bleiben falsch und drängen junge Menschen und schlechter Ausgebildete in die Arbeitslosigkeit.“ Deshalb würden die Julis beim Parteitag dagegen kämpfen. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler warnte seine Partei davor, beliebig zu werden. „Die FDP muss Kante zeigen und den Rücken gerade machen. Wenn wir alle strittigen Themen abräumen, werden wir dadurch nicht beliebt, sondern beliebig“, sagte er. Zugleich befürchtet Schäffler, dass Deutschland seine Glaubwürdigkeit in Europa aufs Spiel setzt. „Wir können Griechenland nicht nötigen, ihre Tarifverträge nicht mehr allgemeinverbindlich zu erklären, um damit wieder wettbewerbsfähig zu werden, wenn wir das in Deutschland zur Durchsetzung von Lohnuntergrenzen für erforderlich halten.“

Der FDP droht auf ihrem Parteitag zudem eine Auseinandersetzung über das Staatsbürgerschaftsrecht. Während sich die Spitze dafür einsetzt, die sogenannte doppelte Staatsbürgerschaft grundsätzlich zuzulassen, lehnt Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn dies strikt ab. „Keiner der Befürworter einer generellen doppelten Staatsbürgerschaft konnte mir bisher ein schlagendes Argument zur Begründung nennen“, sagte Hahn, der auch FDP-Präsidiumsmitglied ist. Hahn will auf dem Parteitag beantragen, den Vorschlag der FDP-Spitze aus dem Wahlprogramm zu streichen.