17 Abgeordnete im bayerischen Landtag hatten Familienmitglieder beschäftigt, darunter auch 13 und 14 Jahre alte Kinder. Imageschaden ist gewaltig.

München. Es hätte eine entspannte Feier werden sollen. Georg Schmid, Fraktionsvorsitzender der CSU im Bayerischen Landtag, wollte im Kreis seiner Kollegen und Weggefährten seinen 60. Geburtstag nachfeiern. Auf der Bühne im Senatssaal des Landtags wurde das übliche Programm gefahren: Geburtstagsständchen, launige Reden, Gratulationen, Geschenke – der Stargast Horst Seehofer war allerdings nicht erschienen.

Und im Publikum war die Stimmung selten schlecht. Die Lagebeschreibung der Gäste fällt entsprechend deftig ungeschminkt aus: „Die Situation ist besch…en“, „alles eine große Sch…e“, klagen die CSUler. Sie müssen nicht nur den Fall des mutmaßlichen Steuerhinterziehers Uli Hoeneß verkraften. Der Klartextredner vom FC Bayern war bei der CSU ein Star. Mit seiner draufgängerischen Art, ohne Risikoscheu über Politik und Gesellschaft zu reden, erinnerte er einige an den polternden Franz Josef Strauß.

Man suchte die Nähe zum vermeintlichen Vorzeigemanager. Nun ist der Ruf ruiniert. „Ganz, ganz bitter ist das. Das beschädigt das Ansehen der Führungskräfte in allen Bereichen“, sagt ein CSU-Grande. Viel peinlicher und viel gefährlicher für die Partei wird in der CSU allerdings die Debatte über die familiären Beschäftigungsverhältnisse einiger ihrer Landtagsabgeordneten eingeschätzt. „Jetzt kommen wieder die Vorwürfe auf, dass wir uns selbst bedienen“, sagen die Abgeordneten.

Denn seit einer Woche ist bekannt, dass 17 der 92 CSU-Abgeordneten eine 13 Jahre alte – in Vergessenheit geratene – Übergangsregelung nutzen und ihre Familienangehörigen als Mitarbeiter beschäftigen und dafür Geld aus der Staatskasse bekommen, neben den Diäten und der Aufwandsentschädigung. Bis zu 7500 Euro im Monat kann der Zuschuss für wissenschaftliche Mitarbeiter und Bürokräfte betragen.

Ausgerechnet zwei der wichtigsten Fraktionsmitglieder haben diese Möglichkeit ganz besonders familienorientiert ausgereizt. Fraktionschef Georg Schmid räumte ein, dass er seit Jahren seiner Frau ein üppiges Salär zukommen ließ. Zwischen 3500 und 5500 Euro im Monat bekam sie für die Büroarbeit. Als Fraktionsvorsitzender bekommt Schmid Bezüge in der Größenordnung eines Ministergehalts: mehr als 20.000 Euro monatlich.

Georg Winter, der Vorsitzende im einflussreichen Haushaltsausschuss, nutzte die Möglichkeit, indem er auch seine beiden damals 13 und 14 Jahre alten Söhne anstellte – und dafür das Geld aus der Staatskasse bekam. Das ist vollkommen legal, erscheint aber vielen in der CSU längst nicht mehr als zeitgerecht und legitim. Dahinter steckt die Vermutung, dass die Gelegenheit ausgenutzt wurde, das Familieneinkommen aufzubessern. „Die Leute regen sich maßlos auf, so geschimpft wurde schon lange nicht mehr über die Politiker“, berichtet ein ehemaliger Abgeordneter, der direkt von seinem Stammtisch zu Schmids Geburtstagsempfang gekommen war.

Nach den früheren Amigo-Affären der CSU wollte man eigentlich jeden Anschein von Spezl-Wirtschaft vermeiden. Deshalb hatte der Landtag im Dezember 2000 auch die Möglichkeit abgeschafft, Familienmitglieder zu beschäftigen. Für die bestehenden Arbeitsverhältnisse wurde aber eine Übergangslösung geschaffen, die allerdings kein Ablaufdatum hatte.

Lange Zeit hatte niemand daran gedacht, bis der Parteienkritiker und Verwaltungsrechtler Hans Herbert von Arnim vor wenigen Tagen ein neues Buch vorstellte und dabei besonders die finanzielle Versorgung der bayerischen Abgeordneten kritisierte. Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) setzte sich gegen den Vorwurf vehement zur Wehr. Allerdings ohne Erfolg. Mit der alten Regelung zur Beschäftigung von Familienangehörigen trat wieder die „alte CSU“ zutage, die im Jahr 2008 bei der letzten Landtagswahl für ihre Überheblichkeit vom Wähler abgestraft worden war.

Auf die Idee, die Verträge selbst zu beenden, sind die 17 CSU-Abgeordneten und die eine SPD-Abgeordnete aber offensichtlich nicht gekommen. CSU-Fraktionschef Georg Schmid räumt dies auch ein. Er hatte in den vergangenen Tagen die Anstellung seiner Frau verteidigt. Sie habe sieben Tage in der Woche gearbeitet.

Dabei hatte der Jurist ein besonderes Beschäftigungsmodell ausgewählt. Schmids Frau trat als Unternehmerin auf, die die Arbeitsaufträge ihres Mannes in Rechnung stellte. Auf seiner Geburtstagsfeier zeigte sich der Fraktionschef allerdings reumütig: „Aus heutiger Sicht war das sicher ein Fehler.“

Es war vor allem Ministerpräsident Horst Seehofer, der den Meinungsumschwung vorantrieb. Er drängte darauf, dass die Abgeordneten derartige parlamentarische Familienbetriebe auflösen, und zwar schnell. Seehofer selbst ist zwar gar nicht Mitglied des Landtags, aber unter den 17 betroffenen CSU-Abgeordneten sind auch einige Kabinettsmitglieder. So hatte auch Kultusminister Ludwig Spaenle sein Frau angestellt und jetzt entlassen. Oder die Staatssekretäre Franz Josef Pschierer aus dem Finanzministerium oder Innenstaatssekretär Gerhard Eck.

Das Ausmaß der Bezahlung variiert offenbar sehr – und auch die Bereitschaft der Abgeordneten, die Arbeitsverträge zu kündigen. So ist es in der CSU unstrittig, dass die Ehefrau des Lindauer Abgeordneten Eberhard Rotter für wenig Geld einen Vollzeitjob im Abgeordnetenbüro macht. Der ehemalige Justizminister Manfred Weiß hat seine Sekretärin geheiratet und kann nicht verstehen, warum er sie nun für ihre Arbeit nicht mehr mit öffentlichen Zuschüssen bezahlen dürfe.

Dennoch ist die Fraktionsführung entschlossen, einen Schlussstrich zu ziehen: „Wir stellen fest, dass die von allen Fraktionen beschlossene sogenannte Bestandsschutzregelung aus dem Jahr 2000 aus heutiger Sicht ein politischer Fehler war. Wir empfehlen dringend, die noch bestehenden Beschäftigungsverhältnisse mit Verwandten ersten Grades sofort zu beenden“, hieß es in einer Erklärung.

Ob die Angelegenheit mit einer Neuregelung beendet wird, ist fraglich. Der Imageschaden wenige Monate vor der Landtagswahl am 15. September ist beträchtlich. Trotz guter Umfragen, die der CSU die absolute Mehrheit der Mandate versprechen, ist man in der Parteiführung alarmiert. Die Gehaltsaffäre bestätigt sie in der Meinung, dass vor allem die CSU selbst, wenn sie zu selbstsicher wird oder die Zeichen der Zeit nicht versteht, eine Gefahr für den erhofften Wahlsieg sein kann.

Allerdings, so spekulieren Abgeordnete, könnte die nahe Wahl den Fraktionsvorsitzenden Georg Schmid politisch auch retten. So kurz vor der Landtagswahl wären Rücktritte oder Personalrochaden kontraproduktiv, heißt es in der Partei.