Ein Finanzwissenschaftler erklärt rechtliche Grauzonen und warnt: „Wer hinterzieht, bricht Gesetze“

Münster. Uli Hoeneß zeigt sich selbst an, und Luxemburg hat angekündigt, sein Bankgeheimnis zu lockern. Die Bundesländer kaufen Steuer-CDs, und Wolfgang Schäuble wird nicht müde, seine Entschlossenheit im Kampf gegen Steueroasen zu demonstrieren. Endlich tut sich etwas in Sachen Steuergerechtigkeit – oder?

Man sollte sich nicht zu früh freuen. Zu vielfältig sind die Möglichkeiten der Vermögenden, ihr Geld vor dem Fiskus zu verstecken, und zu lohnenswert ist für kleine Länder der Status als Steueroase. Luxemburg zum Beispiel ist zurzeit eines der reichsten Länder der Welt. Das wäre wohl bald vorbei, wenn man ihm verwehrt, reichen Bürgern anderer Nationen dabei zu helfen, Steuern zu sparen. Generell ist es ein Rätsel, warum es sich mächtige Staaten bieten lassen, dass ihnen kleine Staaten in Kooperation mit reichen Privatbürgern oder Unternehmen Milliarden an Steuergeld stehlen. Wie ist das zu erklären?

Ein wichtiger Grund könnte sein, dass Steueroasen eine gewisse Flexibilität ins Steuerrecht zurückbringen, die man sich selbst vorher im Rahmen europäischer Politik genommen hat. Als Beispiel könnte hier die europäische Beihilfekontrolle gelten, die allgemein verbietet, dass der Staat die Produktion privater Unternehmen subventioniert. Nun hat ein Staat wie Deutschland aber manchmal Interesse daran, seine Unternehmen zu subventionieren, wenn sie mit ausländischen Unternehmen um Marktanteile konkurrieren. Eine direkte Beihilfe ist nicht möglich, also duldet man die Eröffnung einer Tochtergesellschaft in einer Steueroase.

Die Steuerersparnis wirkt dabei wie eine Subvention. Dass dies alles in einer rechtlichen Grauzone passiert, ist dabei von großem Vorteil. So lässt sich das Ausmaß des Steuersparens begrenzen, weil man den Unternehmen mit verstärkter Kontrolle drohen kann. Ein ähnliches Argument lässt sich auch für reiche Privatleute machen. Manche unter ihnen würden ihren Wohnsitz vielleicht ins Ausland verlegen, wenn der Fiskus seine Ansprüche voll durchsetzen würde. Eröffnet man ihnen ein Schlupfloch, die Steueroase, bleiben sie in Deutschland und zahlen zumindest die Mehrwertsteuer. Besser als nichts.

In der Debatte um Steuerhinterziehung drängt sich allerdings noch ein anderes Argument auf, warum der deutsche Staat so zögerlich ist. Es ist dort zu lesen, das große Ausmaß an Steuerhinterziehung sei ein Misstrauensvotum gegen den Steuerstaat, und Steuerbetrug sei eine, wenngleich illegale Antwort auf das moralische Unrecht übermäßig hoher Steuersätze. Wenn den deutschen Parlamentarier zudem noch unterschwellig ein schlechtes Gewissen angesichts der Verschwendung durch die öffentliche Hand quält, so wird eine gewisse Beißhemmung gegenüber Steuersündern plausibel.

Die inaktive Haltung Deutschlands wird so nachvollziehbar. Der Kollateralschaden aber ist immens. Es gibt ein Steuergesetz, und wer Steuern hinterzieht, bricht das Gesetz. Das gilt auch für sozial engagierte Fußballmanager. Wer dieses Prinzip aufweicht, sei es aus guten Absichten oder fehlender Selbstsicherheit gegenüber dem eigenen Rechtsanspruch, beschädigt die Legitimation eines Steuersystems, das bei einer Staatsquote von über 40 Prozent dringend auf sie angewiesen ist.