Buchautor Nikolaus Blome glaubt: Die Kanzlerin hört 2015 auf. Regierungssprecher Seibert dementiert erwartungsgemäß

Berlin. Das Dementi ließ nicht lange auf sich warten. „Macht Merkel 2015 Schluss?“, fragte am Montagmorgen die „Bild“-Zeitung – bezogen auf den Fall einer Wiederwahl der Kanzlerin nach der Bundestagswahl in fünf Monaten. Schon wenige Stunden später verkündete Regierungssprecher Stefan Seibert: „Die Bundeskanzlerin tritt bei der Bundestagswahl selbstverständlich für eine volle Amtszeit an.“ Doch gelingt es Regierung (und noch mehr der Union), die Gerüchte über einen solchen Rückzug Merkels einzudämmen?

Mit Nikolaus Blome schreibt der Leiter des Hauptstadtbüros der „Bild“-Zeitung in seinem neuen Buch über Merkel („Angela Merkel. Die Zauder-Kanzlerin“), etliche Hinweise deuteten darauf hin, dass Merkel im Falle einer Wiederwahl nicht die gesamte Legislaturperiode (2013 bis 2017) im Amt bleibe. Blome ist in Berlin bestens vernetzt und mit Merkel vertraut. Er begleitet sie journalistisch seit vielen Jahren, ist auf ihren Reisen dabei, hat schon viele Gespräche mit der Kanzlerin geführt.

Am Montagmittag – fast parallel zu Seiberts Dementi – wird Blomes Buch in Berlin präsentiert. Laudator ist Martin Schulz (SPD), der Präsident des Europäischen Parlaments. Für Schulz ist die These von einer Kanzlerin, die im Alter von 60 Jahren Schluss machen will, natürlich ein gefundenes Fressen. „Kandidiert die Bundeskanzlerin nun für eine volle oder eine halbe Legislaturperiode?“, fragt Schulz. Merkel müsse Ja oder Nein sagen, verlangt der Sozialdemokrat.

Seine Partei greift die Debatte dankbar auf. „Frau Merkel braucht aber nicht bis 2015 zu warten“, ätzt SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. „Wir werden sie schon in diesem Jahr von ihrer Last befreien.“ Angesichts der Zerstrittenheit der Koalition und der „desaströsen Politik der Bundesregierung“ habe sie Verständnis dafür, dass Angela Merkel die Lust an ihrem Amt verloren habe, sagt Nahles.

Wie aber begründet Blome seine These? Er verweist darauf, Merkel habe in vertraulichen Runden erklärt, sie halte zehn Jahre für die „maximale Stehzeit“ für einen Spitzenpolitiker. Merkel wurde im November 2005 zur Bundeskanzlerin gewählt. Ohnehin sei Merkel klar, dass sie bei der Bundestagswahl 2017 nicht mehr antreten könne und wolle. Auffällig viel Verständnis habe sie auch für die vorzeitigen Rücktritte der CDU-Regierungschefs Ole von Beust in Hamburg und Roland Koch in Hessen im Jahr 2010 gezeigt. Intern habe Merkel schon früh dafür geworben, schreibt Blome, dass der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) rechtzeitig einen Nachfolger aufbauen solle. Unter der Führung Kohls verlor die CDU/CSU die Bundestagswahl 1998 – Gerhard Schröder (SPD) beerbte Kohl nach 16 Jahren im Amt. Außerdem wäre Merkel bei einem freiwilligen, frühzeitigen Rücktritt der erste deutsche Regierungschef, der nicht abgewählt oder gestürzt wurde, sondern aus freien Stücken gehen würde. „Dieser Superlativ reizt sie sehr“, sagt Buchautor Blome.

Spitzenpolitikern gelingt es nur in den seltensten Fällen, unvermittelt und aus einer souveränen Position heraus in den Ruhestand zu wechseln. Solch rühmliche Ausnahmen sind Hans-Dietrich Genscher (FDP), der 1992 als Außenminister zurücktrat – und, ein Jahr zuvor, der damalige SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Hans-Jochen Vogel. Beide Männer werden in ihren Parteien bis heute bewundert. All diejenigen indes, die nicht loslassen können und sich damit auf geradezu unwürdige Weise um durchaus vorhandene Meriten bringen, genießen letztlich weniger Ruhm. Kurt Biedenkopf (CDU) als sächsischer Ministerpräsident war so ein Mann. Johannes Rau (SPD) fiel der Abschied als Ministerpräsident von NRW ähnlich schwer.