Kassen dürfen künftig nur noch ein Prozent Zinsen verlangen

Berlin. Wer seinen Krankenkassenbeitrag nicht bezahlen kann, wird künftig weniger stark belastet als bisher: Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch einen Gesetzentwurf, mit dem der jährliche Zuschlag für säumige Beitragszahler in der gesetzlichen Krankenversicherung von bislang 60 Prozent pro Jahr auf zwölf Prozent abgesenkt wird. Privatversicherte können in einen Notlagentarif mit reduzierten Leistungen überführt werden.

Mit der vom Kabinett gebilligten Neuregelung sollen die Versicherten nach den Worten von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) die Möglichkeit erhalten, in ihren alten Versicherungsschutz zurückzukehren. „Wenn jemand in eine Schieflage geraten ist, muss es einen Weg geben, da wieder rauszukommen“, sagte Bahr in Berlin. Es handelt sich bei den säumigen Zahlern zumeist um kleine Selbstständige, vor allem Handwerker und Künstler.

Nach Daniel Bahrs Worten gibt es in der gesetzlichen Krankenversicherung 100.000 säumige Beitragszahler, die einen Schuldenberg von insgesamt gut zwei Milliarden Euro angehäuft haben. In der privaten Krankenversicherung gibt es gut 140.000 säumige Beitragszahler. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, dass für die freiwillig gesetzlich Versicherten anstelle des bisherigen Säumniszuschlags von monatlich fünf Prozent künftig nur noch der reguläre monatliche Säumniszuschlag in Höhe von einem Prozent des rückständigen Betrags gilt.

Der Notlagentarif für säumige Privatversicherte sieht vor, dass die Versicherung nur noch die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzen sowie Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft aufkommt. Bis zu 25 Prozent der Prämie sollen aus der angesparten Altersrückstellung des Versicherten bezahlt werden. Dies aber dürfte die Prämien der Betroffenen im Alter wiederum verteuern.

Der Spitzenverband der Gesetzlichen zeigte sich erleichtert über den Wegfall der „Extremzinsen“ von 60 Prozent pro Jahr. „Nun werden die Verhältnisse geradegerückt“, erklärte Verbandssprecher Florian Lanz. Die SPD-Abgeordnete Hilde Matteis erklärte hingegen, durch Bahrs Neuregelung werde das grundsätzliche Problem, dass immer mehr Versicherte ihre Beiträge nicht mehr zahlen könnten, nicht gelöst. Die Linken-Abgeordnete Martina Bunge kritisierte auch die Neuregelung zur privaten Krankenversicherung: „Der Gesetzentwurf ist eine Einladung, Schulden anzuhäufen, um dann in einen günstigen Notlagentarif zu kommen.“ Die Folgekosten seien dabei unabsehbar.

Mit dem vom Kabinett gebilligten Gesetzentwurf sollen auch die Möglichkeiten der gesetzlichen Krankenkassen eingeschränkt werden, sogenannte Wahltarife anzubieten. Dazu gehören Zusatzversicherungen für Zahnersatz oder jene Tarife, die eine Beitragsrückerstattung vorsehen, wenn der Versicherte Leistungen nicht in Anspruch nimmt.

In dem Gesetzentwurf ist nun ausdrücklich festgelegt, dass bei der Kalkulation dieser Angebote der sogenannte Halteeffekt nicht mehr berücksichtigt werden darf. Dieser besteht darin, dass die Versicherten durch einen Wahltarif dazu animiert werden, in ihrer gesetzlichen Kasse zu bleiben – und nicht zur Konkurrenz abwandern. Bei den gesetzlichen Kassen war die Befürchtung laut geworden, durch den Wegfall der Halteeffekte könnten die Wahltarife so teuer werden, dass sie sich künftig weder für die Versicherten noch für die Kassen lohnen.