Anwälte und Banken verstecken die Vermögen Reicher in Stiftungen und Scheinfirmen vor Behörden. Sicherheit für Steuersünder längst vorbei.

Frankfurt/Berlin. Gunter Sachs ist kein Einzelfall. Der vor zwei Jahren gestorbene Industriellen-Erbe ist nur einer in einer ganz langen Liste mehr oder weniger bekannter und manchmal auch berüchtigter Namen, die ihr Geld vor dem Zugriff Dritter in Sicherheit zu bringen versucht haben. Ein gigantisches Datenleck über die geheimen Geschäfte von rund 130.000 Steuerflüchtlingen setzt nun Politiker, Prominente und Unternehmer unter Druck. Medien aus 46 Ländern hatten am Donnerstag über die dubiosen Finanzgeschäfte von Reichen aus aller Welt berichtet. Dem Internationalen Konsortium für Investigativen Journalismus (ICIJ) in Washington war anonym ein Datensatz zugespielt worden.

Aus mehr als 2,5 Millionen Dokumenten gehe die Existenz von über 120.000 Briefkastenfirmen und Investmentgesellschaften aus über 170 Ländern hervor, berichtete ICIJ. Sitz dieser Firmen seien häufig Steueroasen in Übersee. Reiche sollen dort Vermögenswerte im zweistelligen Billionen-Bereich versteckt haben, schätzen Experten. Auch Hunderte Deutsche seien in den Unterlagen aufgelistet, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“.

Mit der Sicherheit für Steuersünder ist es längst vorbei. Gerade Deutsche mussten das in den vergangenen Jahren auf die harte Tour lernen. Seit sich riesige Datenmengen innerhalb kürzester Zeit auf kleinste Datenträger übertragen lassen, sickern die Informationen nach draußen. Immer mehr geheime Konten, Netzwerke und Helfer gelangen so ans Licht der Öffentlichkeit. Klaus Zumwinkel, der frühere Chef der Deutschen Post, war der in Deutschland wohl spektakulärste Fall.

Doch der Datenträger, der jetzt einem Konsortium internationaler Journalisten, darunter dem englischen „Guardian“, der niederländischen „Trouw“ und der „Washington Post“, zugespielt wurde, sprengt diese Dimension. Bei den angeblich enttarnten Personen mit Schwarzgeldkonten in irgendwelchen Steueroasen handelt es sich den Berichten zufolge nicht nur um irgendwelche Superreichen. Es geht auch um Diktatoren, die sich in ihrem Land bereichert haben. Der frühere Herrscher der Philippinen, Ferdinand Marcus, und die Familie des aserbaidschanischen Herrschers Aliyev stehen angeblich auch auf diesem Datenträger.

Nach Recherchen der „Süddeutschen Zeitung“, der Schweizer „Sonntagszeitung“ und des NDR soll auch Gunter Sachs mit Hilfe von Freunden und Anwälten in Steueroasen ein anonymes Geflecht von Unternehmen und Beteiligungen geschaffen haben – unter anderem auf den Cook-Inseln und den Britischen Jungferninseln. Dort seien in Scheinfirmen mit klingenden Namen wie Triton Limited, Tantris Limited oder Parkland Oak Trust Millionenwerte deponiert worden. Seine Nachlassverwalter erklärten dagegen, die betroffenen Firmen seien den Steuerbehörden „schon zu Lebzeiten von Herrn Sachs“ offengelegt worden.

Ein Geheimnis sind diese heimlichen Konten und Netzwerke von Briefkastenfirmen, Stiftungen und Trusts grundsätzlich jedoch nicht. Seit Jahrzehnten ist den Finanzministern dieser Welt bekannt, dass es sie gibt. Und genauso lange versuchen einige Länder, diese Steueroasen zu bekämpfen, während die Menschen dort von den Geschäften leben. Seit den Anschlägen auf das World Trade Center 2001 und dem Ausbruch der Finanzkrise sieben Jahre später ist der politische Druck größer geworden. Strenge Geldwäscheregeln sollen verhindern, dass reiche Terrorfinanciers wie Osama Bin Laden mit ihrem Geld Anschläge in anderen Ländern finanzieren. Und mit dem Ausbruch der Finanzkrise ist auch die Aufsicht über die Banken in den großen Industrieländern verschärft worden.

Dennoch haben längst nicht alle Steueroasen ihr Geschäftsmodell aufgegeben. Längst hat man dieses Geschäft perfektioniert. Oft funktioniert es so: Steuersünder mit großen Schwarzgeldkonten oder andere Leute, die ihr Geld in Sicherheit bringen wollen, gründen Stiftungen – sogenannte Trusts. Diese wiederum gründen oder beteiligen sich an Briefkastenfirmen. Es entsteht ein undurchschaubares Geflecht an Beteiligungen. Die Steuerhinterzieher müssen dann nur noch ihr Geld in die Steueroase transferieren. Dort wird es dann zum Beispiel als Eigenkapital für Briefkastenfirmen genutzt. Auch mit dem Kauf großer Immobilien lasse sich Kapital waschen, erzählt ein Experte. Das einzige Problem für die Besitzer dieser großen Vermögen: Sie müssen ihr Geld zunächst einmal dorthin bringen. „Für einen Diktator ist das überhaupt kein Hindernis“, erzählt ein Experte. „Er überweist es einfach über eine Bank.“ Alle anderen nehmen sich Dienstleister wie Anwaltskanzleien und Banken, die die Geldflüsse zu verschleiern.

Herbert Walter, der frühere Chef der Dresdner Bank, erklärt: „Grundsätzlich gibt es bei solchen Konstruktionen eine Arbeitsteilung zwischen dem Family Office, in dem das Vermögen verwaltet wird, Anwälten und anderen Dienstleistern.“ Wenn das Family Office die Strategie festlege, gehörten Banken zu den Partnern, die diese dann umsetzen. Banken seien also auch in diesem Geschäft involviert. „Wie intensiv, hängt vom Einzelfall ab“, so Walter. Und wenn ein Deutscher große Summen im Ausland verdient hat, ohne dass die hiesigen Finanzbehörden davon wissen, ist es kein Problem, dieses Geld auf irgendwelche Inseln zu überweisen.

Allerdings lohnt sich der Gang auf eine der Kanalinseln längst nicht für jeden. „Die Steuerbetrüger gehen unkalkulierbare Risiken ein“, warnt der Steuerrechtsexperte einer großen Kanzlei. Schließlich seien viel mehr Menschen als nur der Bankberater in der Schweiz an einem solchen Konstrukt beteiligt. Je mehr Menschen aber von der Sache wissen, desto riskanter wird das Ganze für den Steuersünder. Es gibt damit viele Stellen, an denen etwas durchsickern kann. Die jetzt aufgetauchten Daten illustrieren das eindrucksvoll.