Sechs Abgeordnete legen Konzept für Bundestagswahl vor. Vorbild ist die Bierdeckel-Reform von Friedrich Merz

Berlin. Dass es schwer ist, sich in Steuerfragen zu einigen, das haben sechs Politiker der Union in der vergangenen Woche eindrücklich erfahren. Immer wieder ging das Papier, mit dem sie drei Vorschläge für ein einfaches, sicheres und gerechtes Steuersystem machen wollen, zwischen ihnen hin und her. Seit dem Wochenende liegt nun die abgestimmte Version vor. Hätten die sechs all jene in der Partei einbezogen, die mit ihrem Grundgedanken einer Steuervereinfachung sympathisieren, sie wären wohl nicht rechtzeitig zur Formulierung des Programms für die Bundestagswahl fertig geworden. Doch genau darum geht es ihnen. "Wir wollen mit unseren Vorschlägen ins Wahlprogramm", sagte der CDU-Politiker Carsten Linnemann. Sein Kollege Thomas Silberhorn (CSU) ergänzt: "Das jetzige Steuersystem ist intransparent und unverständlich. Dadurch wird es für alle ungerecht. Diesen Zustand wollen wir an entscheidenden Stellen beseitigen."

Die Abgeordneten Silberhorn 44, Linnemann, 35, Peter Tauber, (38, CDU), Nadine Schön (29, CDU), Thomas Bareiß (37, CDU) und Tankred Schipanski (36, CDU) schlagen drei Punkte vor, die das Einkommenssteuersystem verbessern sollen. Den ersten nennen sie "Steuersicherheit". "Wir wollen uns klar dazu bekennen, dass wir in der kommenden Legislaturperiode an den jetzigen Einkommenssteuersätzen nichts ändern. Die Steuereinnahmen sprudeln, davon profitieren wir bei der Haushaltskonsolidierung. Wir signalisieren den Bürgern: Mit uns gibt es keine Steuererhöhung, aber auch keine Steuersenkung", sagt Linnemann.

Damit unterscheidet sich ihr Konzept von jenem, das gleichwohl als Vorbild für den Vorstoß gilt: die Bierdeckel-Reform des ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz. Merz schlug 2003 ein Konzept vor, das aus drei Steuerstufen bestand. Dieses basierte wiederum auf einem Modell des ehemaligen Verfassungsrichters Paul Kirchhof. Kirchhof sah ebenfalls drei Stufen von 15, 20 und 25 Prozent für alle Einkommensgruppen vor. Dieses Konzept wurde im Wahlkampf 2005 vom damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) zum Anlass einer Gerechtigkeitsdebatte genommen, in deren Verlauf er Kirchhof als den "Professor aus Heidelberg" diskreditierte. Mit ihrem Bekenntnis zum bestehenden System vermeiden die sechs Reformer nun geschickt, erneut eine Angriffsfläche für den Wahlkampf zu schaffen.

Konkrete Änderungsvorschläge beinhalten die Punkte zwei und drei des Papiers. "Wir möchten mit einer Pauschale erreichen, dass der Großteil der Steuerpflichtigen keine Quittungen und Kassenbelege mehr sammeln muss. Damit würde die Steuererklärung erheblich vereinfacht", sagt Linnemann. Die neue "Vereinfachungspauschale", die "signifikant höher" als der bisherige Arbeitnehmerpauschbetrag von 1000 Euro liegen soll, beinhaltet dann Werbungskosten, haushaltsnahe Dienstleistungen und außergewöhnliche Belastungen. Der Vorschlag dient vor allem dazu, den Aufwand für die Bürger zu minimieren und Bürokratie abzubauen. Auch soll die Konsultation teurer Steuerberater dadurch entfallen.

Den dritten Punkt nennt Silberhorn den "automatischen Inflationsausgleich": "Wir möchten den Einkommenssteuertarif um einen Inflationskoeffizienten ergänzen. Die Tarifkurve muss automatisch angeglichen werden. Die sogenannte kalte Progression würde dann gar nicht mehr auftreten." Schon bisher kann die von vielen als versteckte Steuererhöhung bezeichnete kalte Progression durch Anpassung des Einkommenssteuertarifs an die Kaufkraftentwicklung vermieden werden. Aber über diese Anpassung muss man sich eben politisch einigen.

Wie schwer das ist, das zeigt die Tatsache, dass zwischen der schwarz-gelben Koalition und der Opposition in dieser Frage zuletzt kein Konsens mehr hergestellt werden konnte. Das Projekt scheiterte erst im Bundesrat und schließlich im Vermittlungsausschuss. "Wir wollen die kalte Progression dem politischen Streit entziehen und ein für alle Mal beseitigen", sagt Silberhorn. "Wir wollen das Einkommenssteuersystem nicht von heute auf morgen grundlegend neu ordnen", bekennt Linnemann mit Blick auf die drei Vorschläge. "Aber wir müssen als Union an dieser Stelle wieder Glaubwürdigkeit gewinnen." Ihre Vorschläge wollen die Politiker in den kommenden Tagen und Wochen mit den Generalsekretären von CDU und CSU, Hermann Gröhe und Alexander Dobrindt, diskutieren.