Kanzlerin Angela Merkel verliert ihre Vertraute Annette Schavan. Nachfolgerin Johanna Wanka ist mehr als eine Notlösung.

Berlin. So emotional, so traurig hat man die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) selten gesehen. Im schwarzen Hosenanzug, mit müden Augen, verkündet sie, was schon jeder geahnt hat: Ihre Bildungsministerin wirft das Handtuch und zieht aus den Plagiatsvorwürfen und dem entzogenen Doktortitel die Konsequenzen. "Ich habe den Rücktritt sehr schweren Herzens angenommen", sagt Merkel, und wiederholt sich Sekunden später, fast gleichlautend. Man sieht es ihr an, man hört es ihrer Stimme an: Das sind nicht nur warme Worte, hier wird es persönlich, geht es um echtes Bedauern.

Neben der Kanzlerin steht Annette Schavan, die eigentlich um ihr Amt kämpfen wollte. Streng nach vorne schaut sie die ganze Zeit, während die Kanzlerin sie würdigt und sie "die anerkannteste und profilierteste Bildungspolitikerin unseres Landes" nennt. Schavan ist es dann, die das Verhältnis zwischen ihr und Merkel offen beschreibt. Sie spricht die Kanzlerin mit "liebe Angela" an, spricht von Vertrauen, von Freundschaft, die über die Amtszeit hinausreicht.

Merkel verliert kein Wort über den Grund, der es für Schavan letztlich unmöglich machte, ihr Ministeramt fortzuführen. Allenfalls ganz indirekt lässt sie etwas anklingen. Schavan, der man ansieht, wie schwer es ihr fällt, nach 17 Jahren als Landes- und Bundesministerin ihren Abschied zu nehmen, geht offen und kämpferisch mit den Vorwürfen um. Sie spricht von "anonymen Plagiatsvorwürfen". Noch einmal bekundet sie mit Blick auf die Aberkennung ihrer Doktorwürde: "Ich werde diese Entscheidung nicht akzeptieren und dagegen klagen." Und geradezu trotzig schleudert sie den Kritikern entgegen: "Ich habe in meiner Dissertation weder abgeschrieben noch getäuscht." Das sehen Gutachter der Universität Düsseldorf anders.

Und so richten sich die Blicke nun auf die, die da Schavan im Amt folgt. Anders als Schavan liebt Johanna Wanka den großen Auftritt. Die 61-Jährige gehört wie Merkel zu jenen hoch qualifizierten ostdeutschen Frauen, die sich ihren Weg in der Politik selbst- und machtbewusst nach oben gebahnt haben. Die gebürtige Sächsin kam erst im Jahr 2000 in die Politik: Damals holte CDU-Landeschef Jörg Schönbohm die Rektorin an der Fachhochschule Merseburg (Sachsen-Anhalt) nach Brandenburg - als Kultur- und Wissenschaftsministerin. Sie war ein Tipp des damaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD).

Einst in der DDR-Bürgerbewegung engagiert, hatte Johanna Wanka das Neue Forum mitgegründet, blieb aber parteilos. 2001 trat sie in die CDU ein. "Für die Union habe ich mich aus zwei Gründen entschieden", sagte sie. "Sie ist die Partei der deutschen Einheit und die christlich-demokratischen Positionen sind auch meine."

Wanka fand Gefallen an der Politik - vor allem am Ministerinnenamt. Brandenburg baute die Zahl der Studienplätze in der noch jungen Hochschullandschaft aus. In Wissenschaftskreisen erarbeitete sie sich rasch einen guten Ruf. In der rot-schwarzen Regierungskoalition, die Matthias Platzeck führte, erwies Wanka sich als pragmatisch. Einige in der Brandenburger CDU hielten ihr sogar eine zu große Nähe zur SPD vor. Ihr Credo: "Die Wähler wollen nicht den Streit zwischen den Parteien, sie wollen den Wettbewerb um die besseren Lösungen."

Die schwierigste Aufgabe meisterte sie, als sie den Vorsitz der CDU Brandenburg übernahm. Es gelang ihr, zumindest nach außen Ruhe in die zerstrittene Partei zu bringen. Über Merkel sagte sie einmal: "Wir sind beide nach der Wende als Quereinsteiger in die Politik gekommen, als Frauen mit beruflicher Erfahrung, die mitten im Leben stehen. Und wir haben beide nicht die Tippeltappeltour in der Partei hinter uns."

Sie ist manchmal schnippisch. Wenn ihr etwas nicht passt, lässt sie sich das anmerken. Merkel ist Physikerin, Wanka Mathematikerin. Beide sind mit Hochschuldozenten verheiratet. Wankas Mann arbeitet als Mathematik-Professor in Merseburg, er war mit ihr nach Potsdam gezogen. Von dort hatte sie im April 2010 der damalige niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff in die Landesregierung geholt. Im Herbst 2009 hatte sie nach der Landtagswahl in Brandenburg ihr Ministeramt verloren. Sie litt sehr darunter.

Ausdrücklich machte sie sich in Niedersachsen für eine Öffnung der Hochschulen für "bildungsferne Schichten und Migranten" stark. Deshalb sollte auch über einen Hochschulzugang für Studenten ohne Abitur nachgedacht werden - eine Position, die in der CDU umstritten ist. In Hannover hielt sie bis zuletzt an den Studiengebühren fest.

Nun muss sie wieder eine Regierung verlassen und rutscht in die nächste. Johanna Wanka ist keine Notlösung: Merkel hätte über die Bundestagswahl hinaus eine mehr als passable Bildungsministerin gefunden. Regionaler Proporz hat für Merkel keine Rolle gespielt: Allerdings hatten die ostdeutschen CDU-Landesverbände mehrfach darauf verwiesen, dass es außer der Kanzlerin keinen Minister aus den neuen Ländern im Bundeskabinett gebe. Diese Lücke schließt die CDU-Chefin nun.