Die Frage, ob die Bundesbildungsministerin Annette Schavan zurücktreten soll, wird in der Forschung unterschiedlich gesehen.

Kapstadt. Der vorletzte Tag ihrer Südafrika-Reise führte Annette Schavan am Donnerstag an die Cape Peninsula Universität für Technologie in Kapstadt. Die Lehranstalt, an der 33.000 Studenten registriert sind, hatte die deutsche Bildungsministerin eingeladen. Südafrika und Deutschland befinden sich in einem gemeinsamen "Jahr der Wissenschaft", in dem Forschungskooperationen zwischen den beiden Ländern intensiviert werden sollen.

Die Politikerin, die nach der Aberkennung ihres Doktortitels unter Druck steht, war der Einladung gefolgt. Sie saß, gekleidet in einem weißen Blazer, in der ersten Reihe des Hörsaals Senate Hall, vor ihr hatten die Organisatoren eine kleine Deutschlandfahne auf den Tisch gestellt. Der Lebenslauf von Annette Schavan sei einfach zu lang, um ihn vollständig vorzutragen, sagte Chris Nhlapo, der Vize-Kanzler der Universität, als er die Politikerin Professoren der Universität und Bildungsexperten im Publikum vorstellte.

"Ich will es trotzdem versuchen", fuhr er fort und begann doch vor vier Jahrzehnten, in den siebziger Jahren, mit ihrem Studium der Erziehungswissenschaften, Philosophie und Katholische Technologie, "nach dem sie 1980 promovierte". Schavan folgte den Ausführungen höflich lächelnd und trat schließlich an das Mikrofon, nachdem Nhlapo mit den Worten geendet hatte, er wolle nun "die Ministerin, Professor Doktor Schavan" nach vorne bitten.

Die 57-Jährige sprach auf Deutsch, zwei Simultandolmetscher übersetzten ihre Ausführungen. Ausgiebig lobte sie die Bedeutung der Universitäten, über die sie seit Beginn ihres Südafrika-Besuchs immer wieder geredet habe. "Ganz signifikant ist die Darstellung der öffentlichen Verantwortung der Universitäten mit Blick auf große Themen unserer Zeit", sagte sie.

Immer wieder sei ihr und ihrer Delegation der Aufruf "Skills for Africa" (Fähigkeiten für Afrika) begegnet, den sich Initiativen von Firmen und Nichtregierungsorganisationen zu eigen gemacht hätten. "Ich hoffe, dass nach diesem Jahr der Wissenschaft nicht nur die bilaterale Partnerschaft in Fragen der Bildung gestärkt hervortritt, sondern dass beide Länder auch auf internationaler Ebene, wie dem Treffen der G20, auf diese Fragen mehr eingehen", sagte sie. "Die Frage nach der Ausbildung von Lehrern ist elementar bei der Suche nach Bildungssystemen des 21. Jahrhunderts."

15 Minuten sprach die Ministerin über die "Bedeutung eines intensiven Dialogs von Wirtschaft, Forschung und Politik". Es bedürfe einer Mentalität, die erkennt, dass Forschung Quelle zukünftigen Wohlstands ist und einer "neuen Wertschätzung von Erfahrung und einem von hohen Praxisanteil geprägten Lernen". In Schavans Delegation sind neben Abgeordneten des Bundestages hochrangige Vertreter von deutschen Bildungsorganisationen, sie applaudierten der Ministerin lange. Die Ministerin erhält zumindest teilweise Unterstützung aus der Wissenschaft. Der Präsident der Humboldt-Stiftung, Helmut Schwarz, äußerte sich am Rande der Reise zur Aberkennung von Schavans Doktortitel: "Eine Ministerin muss man nach ihrer Kompetenz und Leistung beurteilen", sagte er dem "Focus". In dieser Hinsicht gebe es keinen Grund zum Rücktritt.

Auch der Präsident der Berliner Humboldt-Universität, Jan-Hendrik Olbertz, kritisierte die Entscheidung der Uni Düsseldorf. "Vom Verfahren her ist die Entscheidung der Uni Düsseldorf anzuzweifeln. Die Bewertung der fraglichen Textpassagen hatte nicht die nötige Tiefe", sagte er dem "Focus".

Hingegen hatten der Deutsche Hochschulverband und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Schavans Rücktritt gefordert. Der Rat der Philosophischen Fakultät der Düsseldorfer Universität hatte der 57-Jährigen am Dienstagabend den Doktortitel entzogen. Schavan habe "systematisch und vorsätzlich gedankliche Leistungen vorgegeben", die sie nicht selbst erbracht habe. Schavan hatte am Mittwoch in Johannesburg gesagt, dass sie die Entscheidung "nicht akzeptieren" und Klage einreichen werde.

In dem vernichtenden Urteil der Uni Düsseldorf über Schavans Doktorarbeit steckt zudem auch ein Stück interner Selbstkritik. Die Fakultät räumt ein, "dass es in ihrer Geschichte immer wieder in einzelnen Bereichen oder bei einzelnen Personen Defizite in der Betreuung oder in der Prüfung von Dissertationen gegeben haben kann". Härter noch formuliert es der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Bernhard Kempen: Jeder erst nachträglich entdeckte Plagiatsfall sei auch immer "eine Schlappe für die Universität".

Die Ministerin gibt sich in Südafrika in Bezug auf ihren aberkannten Doktortitel kämpferisch und absolviert ihre öffentlichen Auftritte souverän. Eine Stellungnahme zu ihrer politischen Zukunft aber hat sie nicht abgegeben. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich nicht klar zu Schavan als Ministerin bekannt. Über ihren Regierungssprecher sprach Merkel ihrer langjährigen Vertrauten zwar ihr "volles Vertrauen" aus. Regierungssprecher Steffen Seibert ließ Fragen zu Schavans Zukunft als Ministerin bislang unbeantwortet. Stattdessen verwies er auf ein Gespräch der beiden Politikerinnen, das nach Schavans Rückkehr stattfinden soll. Sie wird am heutigen Freitag zurück in Berlin erwartet.

Und trotz Aberkennung des Doktortitels Schavans seitens der Universität Düsseldorf hält die Universität Lübeck an der Ehrendoktorwürde für die CDU-Politikerin fest. Die Auszeichnung werde nicht aufgrund einer wissenschaftlichen Arbeit, sondern in Anerkennung besonderer Verdienste um die Wissenschaft verliehen, teilte die Hochschule am Donnerstag mit. Schavan hatte sich 2010 vehement für den Erhalt der Medizinerausbildung in Lübeck eingesetzt.