Als „bescheuert“ hat Regierungschef Kretschmann den Finanzausgleich einmal bezeichnet. Dennoch will Baden-Württemberg nicht klagen.

Wiesbaden/Stuttgart. Bayern und Hessen machen Ernst: Sie klagen gegen den Länderfinanzausgleich. Nur Baden-Württemberg zieht im kleinen Kreis der Geberländer nicht mit nach Karlsruhe.

Die Befürchtung in Stuttgart: Nach einem Urteil könnte das Ganze für den Südwesten noch teurer werden. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema Länderfinanzausgleich:

Was ist der Länderfinanzausgleich?

Das Hauptziel ist laut Grundgesetz die „Vereinheitlichung der Lebensverhältnisse“. Die Starken helfen den Schwachen. Denn jedes der 16 Bundesländer hat wegen seiner wirtschaftlichen, geografischen und regionalen Besonderheiten unterschiedlich hohe Einnahmen. Die derzeitige Rechtslage gilt noch bis 2019. Dann muss sie neu geregelt werden, weil der Solidarpakt II für den Aufbau Ost ausläuft.

Und wie funktioniert das Ganze?

Zunächst werden die Steuereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Kommunen aufgeteilt. In der ersten Stufe bekommen die „armen“ Länder etwas aus dem Topf mit den Umsatzsteuereinnahmen. Stufe zwei ist der Länderfinanzausgleich im engeren Sinn: Hier gleichen die starken Länder untereinander Einnahmeunterschiede aus. Und in der dritten Stufe schließlich beteiligt sich der Bund mit Zuweisungen.

Wer zahlt und wer bekommt Geld?

Bayern zahlte im vergangenen Jahr mit 3,9 Milliarden Euro die Hälfte der Ausgleichszahlungen. Es folgten Baden-Württemberg mit rund 2,7 Milliarden Euro und Hessen mit 1,3 Milliarden Euro. Hamburg ist inzwischen auch kein Geberland mehr, sondern bekommt Geld aus dem Topf. Größter Profiteur war mit Abstand auch 2012 Berlin, das 3,3 Milliarden Euro erhielt. Insgesamt wurden fast 7,93 Milliarden Euro umverteilt, rund 600 Millionen mehr als im Vorjahr.

Warum zahlte Baden-Württemberg 2012 so viel?

2011 hatte der Beitrag Baden-Württembergs noch rund 1,8 Milliarden Euro betragen. Nach den Worten von Finanzminister Nils Schmid (SPD) stieg die Summe 2012 rasant an, weil die Steuereinnahmen im Südwesten 2011 im Vergleich zu 2010 so stark zunahmen. Das schlug sich erst in den Berechnungen für 2012 nieder. Auch seien die Einnahmen aus Kapitalertragssteuern im August 2012 außergewöhnlich hoch gewesen.

Warum will Bayern klagen?

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) bezeichnet den Finanzausgleich als „himmelschreiende Ungerechtigkeit“. Sein Finanzminister Markus Söder (CSU) spricht von einer „Strafabgabe für solides Wirtschaften“. Die Bayern seien sehr fleißig und würden dafür bestraft. Auf dem Verhandlungsweg konnten sich die Länder nicht über eine Reform einigen. Hessen will sich an der Klage beteiligen.

Warum beteiligt sich Baden-Württemberg nicht an der Klage?

Auch Baden-Württemberg hält den Länderfinanzausgleich für ungerecht, setzt aber vorerst weiter auf Verhandlungen. In Hessen und Bayern stehen in diesem Jahr Landtagswahlen an – die seit langem angekündigte Klage wird im Südwesten als Wahlkampfgetöse gewertet. Die grün-rote Landesregierung hält eine Klage für riskant.

Was sind die Risiken einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht?

Baden-Württemberg befürchtet, dass das Gericht die Finanzkraft der Kommunen stärker in die Berechnungen einbezogen haben will. Bislang werden die kommunalen Einnahmen zu 64 Prozent berücksichtigt. Bei einer stärkeren Einbeziehung müssten die drei Geberländer noch mehr in den Finanzausgleich einzahlen, denn sowohl in Baden-Württemberg, als auch in Hessen und Bayern liegt die Gemeindefinanzkraft deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Früher wurde die kommunale Finanzkraft zu 50 Prozent berücksichtigt. Karlsruhe verfügte dann aber in einem Urteil von 1999 eine stärkere Einbeziehung von 64 Prozent.

Außerdem gilt es als unwahrscheinlich, dass Karlsruhe den Ländern eine Blaupause für eine Neuregelung vorlegt. Das Gericht könnte Bund und Länder auffordern, den Finanzausgleich zu reformieren. Dann müsste also doch wieder verhandelt werden.