Berlin. Der Beschuldigte schweigt, doch die politische Debatte um die Sexismus-Vorwürfe gegen FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle gewann am Wochenende noch an Fahrt. Landauf landab meldeten sich Politiker zu Wort - und auch im Internet ist die Debatte über Sexismus in vollem Gange. Die einen attackieren Brüderle für seine angeblichen anzüglichen Äußerungen gegenüber einer "Stern"-Journalistin, andere nehmen ihn in Schutz.

FDP-Vorstandsmitglied Wolfgang Kubicki warf dem "Stern" vor, Brüderle mit der Veröffentlichung politisch schaden zu wollen. Der "Bild am Sonntag" sagte Kubicki: "Hier soll ein Hoffnungsträger der FDP mutwillig beschädigt werden." Der Fraktionschef im Kieler Landtag will wegen der Affäre nun persönliche Kontakte zu Journalistinnen einschränken. In Zukunft werde er Journalistinnen nicht mehr als Wahlkampfbegleitung im Auto mitnehmen.

Die SPD-Vizevorsitzende Manuela Schwesig beklagte einen "alltäglichen Sexismus" in der deutschen Gesellschaft. Dieser sei in all seinen Facetten völlig inakzeptabel, sagte Schwesig der "Welt am Sonntag". "Letztlich ist das ein deutlicher Ausdruck mangelnder Wertschätzung und damit fehlender Gleichberechtigung der Frauen." Die Grünen-Parteichefin Claudia Roth kritisierte, Frauen würden in der Debatte "mehr und mehr zu Tätern gemacht", damit die "männlichen Machtverhältnisse" erhalten blieben, sagte sie auf NDR Info. Sie forderte Brüderle zum Handeln auf. "Es wäre nicht schlecht, wenn er sich erklären würde, wenn er sich entschuldigen würde, denn ganz offensichtlich hat die junge Journalistin sich angemacht gefühlt", sagte sie.

Auch eine große Mehrheit der Deutschen, erwartet eine Entschuldigung Brüderles bei der Journalistin, sollten die Vorwürfe zutreffen. Nach einer Emnid-Umfrage für "Bild am Sonntag" unter 500 Bundesbürgern meinen 90 Prozent, dass Brüderle die Reporterin um Verzeihung bitten sollte. 45 Prozent der Befragten halten, falls die Vorwürfe stimmen, sogar einen Rücktritt Brüderles vom Amt des Fraktionsvorsitzenden im Bundestag für angemessen.

Der CSU-Familienpolitiker Norbert Geis verteidigte Brüderle hingegen. "Was Rainer Brüderle gesagt hat, darf man nicht unter Sexismus einordnen", sagte er der "Welt am Sonntag". Auch abseits des politischen Parketts ging die Debatte im Kurzmitteilungsdienst Twitter am Wochenende weiter. Unter dem Hashtag #Aufschrei flossen pro Minute bis zu zehn Tweets zu dem Thema ein.