Nach Landtagsdebatte in Sondersitzung über Debakel beim Hauptstadt-Flughafen hatte Ministerpräsident die Vertrauensfrage gestellt.

Berlin/Potsdam. Mit 55 Ja-Stimmen und 32 Nein-Stimmen hat der Brandenburger Landtag hat Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) nach der erneuten Verschiebung der Eröffnung des Großflughafens Berlin-Brandenburg (BER) das Vertrauen ausgesprochen. Die Ja-Stimmen kamen aus den Koalitionsfraktionen von SPD und Linke. Die Opposition stimmte geschlossen gegen Platzeck. Es ist das erste Mal in der Geschichte des Landes Brandenburg, dass ein Ministerpräsident sich durch das Parlament legitimieren lässt.

Die Koalition aus SPD und Linken stellte sich bei der von Platzeck selbst gestellten Vertrauensfrage am Montag hinter den Regierungschef. Dieser hatte zuvor in einer Regierungserklärung eine neue Steuerung des Projekts versprochen: „Wir müssen die entscheidende Wende jetzt herbeiführen. Und dazu bin ich fest entschlossen.“

Zuvor hatte das brandenburgische Parlament in einer Sondersitzung über das Debakel um die vierte Verschiebung der Eröffnung des Hauptstadtflughafens in Schönefeld debattiert.

Lesen Sie hier die aktuellen Entwicklungen in der Debatte:

Görke: Linke wollen keine Investruine

Die Landespolitiker in Brandenburg müssen nach Ansicht des Vorsitzenden der Linksfraktion, Christian Görke, jetzt rasch die Ursachen für die Fehler am künftigen Hauptstadtflughafen analysieren. „Wir müssen alles in unserer Macht stehende tun, diesen - mittlerweile bundesweit verhöhnten – Großflughafen endlich ans Netz zu bringen“, sagte er am Montag in der Sondersitzung des Landtages.

Görke erinnerte, dass seine Partei zunächst nicht ein Internationales Drehkreuz an diesem Standort gewollt habe. In den vergangenen 15 Jahren seien mittlerweile Milliarden in den Standort investiert worden. „Nein, wir wollen keine Investruine“ stellte er klar. Die Folgen dieser Standortentscheidung für die betroffenen Menschen sollten jedoch so gering wie möglich zu halten. Mehr Transparenz und ein Mehr an Nachtruhe seien erforderlich.

FDP-Politiker: Keine Entschädigung für Schwarz

Der Brandenburger FDP-Fraktionsvorsitzende Andreas Büttner hat gefordert, Flughafenchef Rainer Schwarz ohne Entschädigung aus dem Amt zu schicken. „Schwarz hat bewiesen, dass er die fleischgewordene Unzuständigkeit ist“, sagte er am Montag bei der Sondersitzung des Landtages. „Wie das gelingt ist Ihr Problem“, appellierte er an Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), der den Vorsitz des Flughafen-Aufsichtsrates übernehmen will.

Erforderlich sei auch ein Masterplan, um zu sehen, wie es nun weitergehe. „Wir brauchen den Flughafen. Er ist eng mit der Entwicklung der Region verbunden“, betonte der FDP-Politiker. „Bislang haben wir jämmerlich versagt beim Flughafenprojekt. Das ist eine Schande für die gesamte Region.“

SPD: Opposition handelt verantwortungslos

Die SPD-Fraktion im Potsdamer Landtag hat der oppositionellen CDU Verantwortungslosigkeit vorgeworfen. „Sie hätten die Flughafen-Krise nutzen können, um sich als verantwortungsvolle Staatspolitiker zu präsentieren“, sagte Fraktionschef Ralf Holzschuher. „Aber Sie haben diese Chance vertan. Sie verhalten sich wie ein kleines bockiges Kind.“ Holzschuher warf der CDU vor, ihre Parteiinteressen über die des Landes zu stellen. Als Beispiel dafür nannte er Briefe der Partei an CDU-Bundespolitiker, in denen Platzeck diffamiert worden sei. „Sie glauben, je mehr Schäden am BER, desto schlechter für Platzeck.“

CDU-Vorsitzender: Last für die Region

Die Vertrauensfrage von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) ist aus Sicht der CDU eine „Showveranstaltung mit absehbarem Ausgang“. Der Regierungschef habe sein Vertrauen bei den Brandenburger Bürgern verloren, sagte CDU-Fraktionschef Dieter Dombrowski am Montag bei der Sondersitzung des Landtages. „Die CDU-Fraktion vertraut Ihnen schon lange nicht mehr – und das werden wir auch in der Abstimmung zeigen.“

Dombrowski warf Platzeck Geheimniskrämerei vor. „Sie haben dieses Parlament nie selbstständig oder unaufgefordert informiert.“ Dombrowski ging davon aus, dass der Bau des künftigen Hauptstadtflughafens auch strafrechtlich Konsequenzen haben wird und intensive Prüfungen durch die Staatsanwaltschaft anstehen.

Der künftige Hauptstadtflughafen ist aus Sicht des CDU-Fraktionschefs zur Last für die Region geworden. „Sie vergrößern diese Last“, warf Dombrowski Platzeck vor.

Als stellvertretender Vorsitzender des Flughafen-Aufsichtsrates habe Platzeck zugesehen, wie „getrickst und getäuscht“ worden sei. „Wer hat sie in der Vergangenheit daran gehindert, Wahrheit, Klarheit und Transparenz zu praktizieren?“, meinte der CDU-Politiker. Es sei ein Fehler, dass Platzeck nun Chef des Aufsichtsrats werden wolle. „Sie sind der Master of Desaster“, kritisierte Dombrowski.

Platzeck: Zukunft des Landes hängt von Flughafen ab

Mit mehr Experten und einer schärferen Kontrolle will der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) das bislang missglückte Projekt des neuen Hauptstadtflughafens retten. Außerdem soll bei der staatlichen Betreibergesellschaft ein Geschäftsführer mit Generalverantwortung eingesetzt werden, sagte Platzeck am Montag in einer Regierungserklärung vor dem Brandenburger Landtag in Potsdam. Die Opposition wies dem Regierungschef eine wesentliche Mitverantwortung für die gescheiterte Eröffnung des Flughafens zu.

Platzeck will sich als Aufsichtsratschef künftig einmal pro Woche von der Geschäftsführung über alle wesentlichen Entwicklungen rund um den neuen Flughafen informieren lassen. Außerdem solle Verkehrsstaatssekretär Rainer Bretschneider (SPD) künftig in der Staatskanzlei eine Arbeitseinheit zum Flughafenbau leiten, bis der Airport in Betrieb ist. „Ich verbinde mein politisches Schicksal mit dem Gelingen dieser Aufgabe.“

Aus Sicht von Platzeck ist der neue Hauptstadtflughafen entscheidend für die Zukunftsfähigkeit des Landes. Von seiner Fertigstellung hingen Wohlstand und Lebenschancen der Menschen ab, sagte der SPD-Politiker in seiner Regierungserklärung am Montag im Potsdamer Landtag. Gleichzeitig räumte Platzeck ein, dass das Bauprojekt BER „in sehr schwerwiegender Weise in Not“ geraten und zu einem „negativen Symbol“ geworden sei. Aber: „In ihrer Pauschalität sind die vernichtenden Bewertungen sicherlich nicht gerecht.“ Der Regierungschef zeigte sich überzeugt, dass der Airport ein Erfolg wird.

Angesichts der Baumängel am künftigen Hauptstadtflughafen BER hatPlatzeck betont, dass umgehend mögliche Schadensersatzansprüche geprüft und durchgesetzt werden müssen. Kernproblem bei dem Projekt sei der Brandschutz, sagte er in seiner Regierungserklärung am Montag im Potsdamer Landtag. „Die Entrauchungsanlage, so wie sie konzipiert ist, ist nicht funktionstüchtig und damit auch nicht genehmigungsfähig.“ Der SPD-Politiker verteidigte seine Entscheidung, im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft den Vorsitz zu übernehmen. Er nehme damit seine politische Verantwortung wahr.

Wowereit: Bauleute müssen Probleme am Flughafen lösen

Während sich Brandensburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck heute in einer Sondersitzung des Brandenburger Landtages der Vertrauensfrage stellen wird, hält Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) die Frage nach seiner politischen Verantwortung für die Flughafenmisere für geklärt. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) habe bestätigt, dass der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft seine Kontrollpflichten erfüllt habe, sagte Wowereit am Montag im RBB-Inforadio. Und der Bund sowie die Länder Berlin und Brandenburg als Eigentümer kämen aus der politischen Verantwortung sowieso nicht heraus.

„Für uns alle ist es ganz, ganz wichtig, dass dieser Flughafen wirklich eröffnet wird“, betonte Wowereit. Die Bauleute müssten jetzt die Probleme lösen, anders werde es nicht gelingen. Wowereit, bisher Flughafen-Aufsichtsratschef, hatte am Samstag im Abgeordnetenhaus einen Misstrauensantrag der Opposition überstanden, die vor allem ihn für das Flughafen-Debakel verantwortlich macht. Die Eröffnung des Flughafens musste bereits vier Mal verschoben werden wegen technischer Probleme.

Landtag richtet Sonderausschuss zum Flughafen ein

Der brandenburgische Landtag richtet für den Großflughafen einen Sonderausschuss ein. Darauf verständigten sich die Koalition aus SPD und Linke sowie die oppositionelle FDP, wie Linksfraktionschef Christian Görke am Montag sagte.

In dem Sonderausschuss sollten alle Fragen rund um den Flughafen Schönefeld konzentriert werden – vom Bau des Airports über dessen Finanzierung bis hin zum Schallschutzprogramm für die Anrainer. Mit Hilfe des Gremiums solle Transparenz und parlamentarische Mitwirkung gewährleistet werden, sagte Görke.

Die FDP hatte bereits in der vergangenen Woche einen Antrag zur Einrichtung eines solchen Sonderausschusses vorgelegt. Auch die Linke-Expertin Kornelia Wehlan hatte sich für ein solches Gremium ausgesprochen. Jetzt haben SPD, Linke und FDP einen gemeinsamen Antrag vorbereitet, über den noch am Montag auf einer Sondersitzung des Parlaments abgestimmt werden sollte. Die Eröffnung des Großflughafens musste wegen erheblicher technischer Probleme bereits vier Mal verschoben werden.