FDP-Parteichef Rösler erntet mit seiner 54-minütigen Rede nur verhaltenen Applaus - und wird als „Landesverräter“ beschimpft.

Stuttgart. FDP-Chef Philipp Rösler hat sich in den vergangenen Wochen viel anhören müssen. Doch öffentlich mit „Arschloch“ tituliert zu werden, gehörte nicht dazu. Beim traditionellen Dreikönigstreffen in Stuttgart passierte am Sonntag genau dies. Gefährlich nahe an der Bühne sprang ein junger Mann in Kapuzenpullover auf und beschimpfte den Chef der Liberalen zudem noch als „Landesverräter“, bevor er ungehindert aus dem Saal stürmte. Man dürfe das Ganze nicht zu ernst nehmen, sagte Rösler später, doch die Sicherheitsmaßnahmen müssten schon noch analysiert werden.

Zuvor war auch der Grünen Jugend eine Störaktion im Stuttgarter Opernhaus gelungen. Mitglieder entrollten ein Transparent, auf dem zu lesen stand: „Der Countdown läuft“. Zusätzlich warfen sie Flugblätter ins Publikum. Röslers Antwort kam gedämpft. Mit Blick auf die Vorliebe der Grünen für Recycling mahnte er väterlich: „Ihr dürft Papier nicht einfach so wegwerfen, das wird gesammelt.“

Bei seiner Partei kam Rösler, auch wenn er die in ihn gesetzten Erwartungen am Sonntag kaum erfüllte, relativ ungeschoren davon. Nach der Kritik in den vergangenen Wochen an seinem Führungsstil versammelten sich die Liberalen in Stuttgart weitgehend hinter ihm - wohl auch, um am 20. Januar trotz schlechter Umfragewerte doch noch den Wiedereinzug in den niedersächsischen Landtag zu schaffen.

54 Minuten redete Rösler, sein am häufigsten genutztes Wort war Freiheit. Mit diesem Hochamt des Liberalismus versuchte er, der Partei aus der Seele zu sprechen. Applaus kam während der Rede nur selten auf. Am Ende gab es zwar drei Minuten lauten Beifall. Mit seinem ruhigen Stil und langen Pausen zwischen den Worten hatte er zuvor aber niemanden so richtig von den Sitzen gerissen.

Auch die erwartete Abrechnung des Parteivorsitzenden mit den innerparteilichen Gegnern blieb aus. Er mahnte lediglich mit Blick auf die Niedersachsenwahl mehr Fairness und Solidarität im Führungsteam an. Nach Ende der Rede Röslers, die den Abschluss des Dreikönigstreffens markierte, verließen die Besucher schnell den Saal, in dem die Luft langsam stickig wurde.

Die eigentlich von Rösler erwartete kämpferische Rede hielt indes der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Rainer Brüderle, der sich in seinem umjubelten Auftritt formal hinter Rösler stellte und zur Belustigung des Publikums gegen „Salonsozialisten“ und „grüne Tugendwächter“ wetterte. Sein Credo: Die Bundestagswahl im Herbst dürfe nicht an Rot-Grün gehen, weil sonst „eine Art grüne Vermögenssteuer-Stasi“ drohe.

Auf wenig Gegenliebe traf Entwicklungsminister Dirk Niebel, der zuletzt mit seiner Kritik an Rösler in die Schlagzeilen geraten war. „So wie jetzt kann es mit der FDP nicht weitergehen“, polterte der Spitzenkandidat der Südwest-Liberalen auch am Sonntag. Aus dem Publikum kamen da vereinzelt Rufe aufzuhören. Die FDP-Spitze auf dem Podium reagierte mit versteinerten Minen.

Nein, die Forderung nach einer raschen personellen Neuaufstellung ist mit dem Dreikönigstreffen nicht vom Tisch. Nach wie vor gibt es Überlegungen, den im Mai geplanten Parteitag zur Festlegung des Führungsteams für die Bundestagswahl vorzuziehen. Darüber müsse noch diskutiert werden, sagte Brüderle später auf schmallippig dem Flur und verbreitete dann noch Optimismus: „Das Dreikönigstreffen war gut, dann wird 2013 auch ein gutes Jahr.“