Klappen und anonyme Entbindungen bleiben legal. Familienministerin Schröder plant nun eine dritte Möglichkeit für Schwangere in Notlagen

Berlin. Die Betreiber der gut 80 deutschen Babyklappen können beruhigt sein: Die Wärmebetten, in denen Mütter ihre Neugeborenen ablegen, um danach unerkannt verschwinden zu können, dürfen geöffnet bleiben. Hamburg war im April 2000 die erste deutsche Stadt, die an zwei Stellen Babyklappen eingerichtet hat. Ebenfalls keine Sorgen machen müssen sich die etwa 150 Anbieter anonymer Geburten, bei denen Frauen ohne Angabe ihrer Personalien in Kliniken entbinden. Auch das soll weiterhin möglich bleiben. So will es die Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU).

Dem Hamburger Abendblatt liegt ein Referentenentwurf des Familienministeriums vor, nach dem es für Mütter in Notlagen zwar ein weiteres Angebot geben soll - die vertrauliche Geburt -, aber jene anonymen Möglichkeiten weiterhin geduldet werden sollen. Unerfüllt bleiben damit die Forderungen nach einer Beendigung der anonymen Angebote, bei denen es schwere Mängel gibt. Schon 2009 empfahl der Deutsche Ethikrat die Schließung der Klappen: Rechtlich sei es untragbar, dass Kindern durch die Anonymisierung der Mutter die Kenntnis ihrer Herkunft unmöglich gemacht werde, sozialpädagogisch sei es Unsinn, die Frauen ins Unbekannte entschwinden zu lassen, ohne ihnen helfen zu können. Auch dem Lebensschutz, so der Ethikrat, dienten Babyklappen nicht, weil seit deren Aufkommen ab 1999 die Zahl der Neugeborenentötungen nicht gesunken ist, sondern in Deutschland nach wie vor bei jährlich 20 bis 25 Fällen liegt, wobei sich die Mehrzahl in Städten mit Babyklappen ereignet.

Der Ethikrat schloss daraus, dass Frauen, die in Panik ihre Babys umbringen, von anonymen Angeboten nicht erreicht würden. Während andere Frauen, die ihr Baby nicht töten wollen, durch die Existenz von Babyklappen verleitet würden, unter Lebensgefahr allein zu entbinden, um das Kind in die Klappe zu legen. Noch mehr in die Kritik gerieten die anonymen Angebote, als Anfang 2012 eine Studie des Deutschen Jugendinstituts schwere organisatorische Mängel bei den Betreibern zutage förderte. Trotzdem ist in dem Entwurf des Ministeriums nicht die Rede davon, die anonymen Angebote zu beenden oder allmählich auslaufen zu lassen. Vielmehr spricht die Begründung explizit von der "Fortsetzung einer Duldung von Babyklappen". Lediglich "überprüfen" will Kristina Schröder jene Duldung, aber erst in frühestens drei Jahren, wenn das geplante Gesetz zur vertraulichen Geburt überprüft werden soll. Bis dahin gibt es nur ein neues Kriterium für die Klappen, nämlich, dass "die Betreiber die aufgefundenen Kinder spätestens am folgenden Tag der Gemeindebehörde als Findelkinder melden".

Zwar werden in der Begründung des Entwurfs auch "weitere unverzichtbare Mindestanforderungen" an die anonymen Angebote angesprochen, aber welche das sein sollen, bleibt offen. Solche Standards werde "die Bundesregierung gemeinsam mit den Beteiligten entwickeln".

Sollten also Kristina Schröders Pläne Gesetz werden, dann gäbe es künftig für Hochschwangere in Notlagen gleich drei Möglichkeiten. Erstens: Sie bringen ihre Kinder heimlich zur Welt und legen sie dann in eine Klappe. Zweitens: Sie entbinden vollständig anonym in den Krankenhäusern mit entsprechenden Angeboten. Und drittens, jetzt neu: Das Kind wird vertraulich geboren.

Hierfür soll zunächst eine Informationskampagne darauf hinweisen, dass sich werdende Mütter an Schwangerschaftsberatungsstellen wenden können, in denen eigens geschultes Personal die rechtlich sauberen Möglichkeiten erläutert: das Kind annehmen oder es geregelt mit allen Personaldaten zur Adoption freigeben oder es eben vertraulich gebären. Eine solche Beratung soll auch dann noch möglich sein, wenn eine Frau in den Wehen ins Krankenhaus kommt und ihren Namen nicht sagen will.

Ist sie mit der vertraulichen Geburt einverstanden, werden die tatsächlichen Daten der Mutter erfasst und in einem Umschlag versiegelt. Auf dem Umschlag jedoch steht nicht ihrer richtiger Name, sondern ein Pseudonym, außerdem der Vorname und das Geburtsdatum des Kindes sowie der Name der Klinik und der Beratungsstelle. Dieser Umschlag wird beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben in Köln deponiert. Andere staatliche Stellen sowie das Familiengericht kennen die echten Daten der Mutter nicht, sondern wissen nur, dass das ihnen gemeldete Kind mit diesem Vornamen und Geburtsdatum eine Mutter hat, deren Identität lediglich der Beratungsstelle bekannt ist und die nur über die Beratungsstelle kontaktiert werden kann. Sofern die Mutter dies will. Denn sie geht wieder dorthin zurück, woher sie kam, und kann den Kontakt verweigern. Legt sie aber ihre Daten offen, kann sie das Kind zurückbekommen.

Allerdings nur, solange das Kind keine Adoptiveltern hat. Das Baby, das zunächst zu Pflegeeltern kommt, kann wie sonst auch nach etwa einem Jahr vom Familiengericht Adoptiveltern zugesprochen werden, wenn sich die Mutter bis dahin nicht mit ihrer tatsächlichen Identität meldet. Vor der Entscheidung des Gerichts muss die Beratungsstelle die Mutter über den Beginn des Adoptionsverfahrens informieren.

Lässt sie den Termin verstreichen, kann sie das Kind nicht mehr bekommen. Bis dahin hat die Mutter jederzeit die Möglichkeit, unter Angabe ihrer echten Daten das Kind zurückzubekommen. Nach der Adoption geht dies nicht mehr, doch können die neuen Eltern oder die Muter selbst versuchen, über die Beratungsstelle Kontakt zueinander aufzunehmen, auch anonym. Offenzulegen sind die Daten der Mutter erst mit dem 16. Lebensjahr des Kindes.

Das Kind hat dann das Recht, jenen Umschlag einzusehen. Doch kann die Mutter aus ihrer Anonymität heraus via Beratungsstelle "geltend machen, dass ihr durch die Einsicht des Kindes in den Herkunftsnachweis eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Belange erwachsen kann". Ein Familiengericht müsste dann entscheiden, ob der Widerspruch der Mutter anerkannt wird, ob also das Kind nichts über die Mutter erfahren darf.