Die Bundesanwaltschaft sieht aber keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen terroristischen Hintergrund bei Bonner Bombe.

Berlin. Die Kofferbombe in Bonn ist nicht explodiert, aber sie hat die Öffentlichkeit erschüttert. Die Erkenntnisse der Ermittler über die blaue Tasche mit dem zündfähigen Material am Hauptbahnhof Bonn sind drei Tage nach der Entdeckung teilweise widersprüchlich. Es gibt wohl keine Zweifel an ihrer Gefährlichkeit. Die Bundesanwaltschaft lässt sich fortlaufend über die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bonn informieren. "Selbstverständlich werden wir das Verfahren übernehmen, sobald sich zureichende Anhaltspunkte für einen terroristischen Hintergrund ergeben", sagte Generalbundesanwalt Harald Range am Mittwoch in Karlsruhe. Dies sei bislang aber nicht der Fall.

Nach Einschätzung des Leiters der Abteilung Terrorismusbekämpfung bei der Bundesanwaltschaft, Rainer Griesbaum, war der in einer blauen Sporttasche aufgefundene Sprengsatz "höchst gefährlich". Demnach bestand der Mechanismus aus einem mit Ammoniumnitrat gefüllten Metallrohr, um das vier Butangaskartuschen befestigt gewesen seien. Es habe auch eine Zündvorrichtung mit einem batteriebetriebenen Wecker gegeben. Allerdings habe man bislang keinen Zünder entdeckt. Möglicherweise wurde er zerstört oder weggeschleudert, als der Sprengsatz am Montag mit einem Wassergewehr unschädlich gemacht wurde. Ein Polizeisprecher sagte dazu: "Die Tasche wurde in 1000 Einzelteile zerlegt, weswegen wir ein Puzzle zusammenlegen müssen." Griesbaum verwies darauf, dass die Frage der Explosionskraft dieser "Spreng- und Brandvorrichtung" erst in den nächsten Tagen bei Untersuchungen geklärt werden könne.

Über das mögliche Motiv des Verdächtigen, der den Sprengsatz auf dem Bonner Hauptbahnhof deponiert hatte, wollte Griesbaum nicht spekulieren. Ein "anfänglicher Ermittlungsansatz in Richtung islamistischer Terrorismus" habe sich bislang nicht als weiterführend erwiesen. Es könne auch ein Fall von politisch motivierter oder allgemeiner Kriminalität vorliegen. "Mit einem Wort: Es ist alles offen."

Range warnte jedenfalls davor, den Terrorismus islamistischer Prägung zu unterschätzen. Einzeltäter, die ihre Anschläge ohne direkte Anbindung an eine terroristische Vereinigung planten, seien für die Sicherheitsbehörden nur schwer zu erkennen. "Das wissen auch al-Qaida und andere islamistische Terrororganisationen", sagte Range. Zu ihrer Strategie gehöre es, durch Propaganda im Internet vor allem junge Männer zu radikalisieren und ihre Bereitschaft für ein Attentat zu wecken. "Die dschihadistische Internetpropaganda steht deshalb besonders im Fokus unseres Interesses", so Range.

Trotz des Bombenfundes sieht die Bundesregierung keine erhöhte Terrorgefahr. "Die Sicherheitslage in Deutschland ist unverändert", betonte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Es bestehe weiterhin ein abstraktes Risiko von Anschlägen, weil sich Deutschland im Fadenkreuz des internationalen Terrorismus befinde.

Die Polizei fahndet weiterhin nach einem Unbekannten. Ein 14-jähriger Schüler soll den Mann beim Ablegen der Tasche gesehen haben. In der Nacht zum Mittwoch veröffentlichte die Polizei ein Phantombild. Laut Polizei handelt es sich um einen dunkelhäutigen Mann im Alter zwischen 30 und 35 Jahren. Die Behörden verfolgen auch eine neue Spur: Die Tasche mit dem Sprengsatz soll zuvor ein Mann weißer Hautfarbe beim Besuch eines Fast-Food-Restaurants am Bahnhof bei sich gehabt haben. Dies habe die Auswertung von Aufzeichnungen einer Überwachungskamera des Restaurants ergeben. Die Tasche sei dem Mann von einem dunkelhäutigen Mann "entwendet" und zum Gleis getragen worden. Der Vorgang soll ohne Rangelei abgelaufen sein, berichtet zudem der "General-Anzeiger" in Bonn. Die Ermittler seien sich aber nicht sicher, ob die Person, die auf den Aufzeichnungen zu sehen ist, die Tasche gestohlen hat oder ob eine gezielte Übergabe des Sprengsatzes stattfand. Die Ermittler werten auch die Überwachungskameras am Düsseldorfer Flughafen aus.

Zuvor hatten die Behörden zwei in Gewahrsam genommene Männer wieder freigelassen. Ein erster Tatverdacht habe sich nicht erhärten lassen, erklärte die Polizei. Allerdings hätten sie nie als Tatverdächtige gegolten, sagte der Bonner Staatsanwalt Robin Faßbender. Der Anwalt eines der Freigelassenen betonte gegenüber Nachrichtenagenturen, sein Mandant Omar D. habe mit der Sache nichts zu tun: "Die Polizei mag mal erklären, woher dieser Tatverdacht kam. Einfach mal einen Unschuldigen festnehmen, das ist nicht so schön", sagte Anwalt Mutlu Günal. Es sei wohl "eine Sau durchs Dorf getrieben" worden.