Münchner Ökonom: Es war keine Erfolgsgeschichte für Deutschland

Hamburg. In Hannover feierte die Union auf ihrem Parteitag Kanzlerin Angela Merkel für die Euro-Rettung, 150 Kilometer nördlich sah die Stimmungslage in der Partei etwas anders aus. Auf Einladung des CDU-Wirtschaftsrats referierte der schärfste Kritiker der Euro-Rettung, Hans-Werner Sinn, im Steigenberger - und erntete viel Zustimmung. Aufgrund der großen Nachfrage wurde die Veranstaltung in den größten Saal verlegt, vielen Interessierten musste der CDU-Wirtschaftsrat absagen.

Sie verpassten einen Vortrag des Präsidenten des Münchner ifo-Instituts, der in Schärfe und Klarheit wenig vermissen ließ. Zugleich machte Sinn deutlich, warum er in der Ökonomenzunft so umstritten ist. Er neigt zu Streitlust und Meinungsstärke bis an den Rand des Populismus. Sinn räumte vor 300 Zuhörern mit weit verbreiteten Thesen auf: "Der Euro war nie eine Erfolgsgeschichte für Deutschland", betonte der 64-Jährige. "Wir hatten das zweitniedrigste Wachstum in Europa, sind bei der Wirtschaftsleistung pro Kopf von Platz 3 auf Platz 7 zurückgefallen. Wo, bitte, sind wir Gewinner des Euro?"

Scharf ging Sinn mit der Politik der Krisenstaaten ins Gericht. Der Süden habe den Euro gewollt, um niedrigere Zinsen zu erlangen. Anschließend hätten die Länder ihre Zinsgewinne "verfrühstückt", die Südstaaten sich über "beide Ohren verschuldet". Es hätten sich Immobilien- und Staatsblasen gebildet, das billige Geld sei in einen Bauboom und höhere Gehälter geflossen. Griechenland etwa sei derzeit um 64 Prozent teurer als die Türkei - "bei gleichen Stränden und gleichen Tempeln". Nun rücke auch Frankreich immer mehr in den Fokus der Krise: Die dortige Industrie sei schwach, der Staatssektor viel zu groß: "Kein Land ist dem Sozialismus so nah."

Die entscheidende Frage sei, ob den Südstaaten die Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit gelinge. Irland habe es geschafft, weil die Iren als Erste in die Krise kamen und sich selbst geholfen hätten, indem sie Preise und Löhne senkten. "Die irische Ochsentour wollte man im Süden nicht gehen", kritisierte Sinn. Nun müssten Rettungsfonds und die Europäische Zentralbank den Süden retten. Das Ergebnis sei für Deutschland verheerend. Wenn der Euro zerbreche, bleibe Deutschland auf Forderungen von 719 Milliarden Euro an den Süden sitzen. Sinn brachte es vereinfacht auf den Punkt: "Unser Sparvermögen haben wir umgewandelt in Einkaufsgutscheine in Griechenland".

Eine Lösung erwartet Sinn erst, wenn Krisenländer aus dem Euro ausscheiden und ihre Währung abwerten. Je früher das geschehe, desto besser sei es. Es habe in der Vergangenheit Dutzende von Staatspleiten gegeben, in den USA seien Bundesstaaten pleitegegangen - und dennoch habe "sich die Welt weitergedreht".