Schäuble informiert Fraktionschefs. SPD deutet Zustimmung an, rechnet aber weiter mit Schuldenschnitt - und ist damit nicht allein.

Berlin. Die weitere Griechenland-Rettung belastet den deutschen Haushalt schon im kommenden Jahr mit rund 730 Millionen Euro. Dies gab Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Dienstag in Berlin bekannt. Die Summe setzt sich zusammen aus 599 Millionen Euro an Gewinnen aus dem Anleihe-Rückkaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB), die fortan nicht mehr einbehalten, sondern auf ein Sonderkonto in Griechenland überwiesen werden. Bis 2030 wird sich dieser Posten auf 2,7 Milliarden Euro für Deutschland summieren, wie der Minister berichtete. Hinzu kommen noch jährlich rund 130 Millionen Euro an ausbleibenden Zinseinnahmen, weil Deutschland Athen die Zinsen auf seine bilateralen Kredite senkt.

CDU-Wirtschaftsrat nennt Hilfe „Insolvenzverschleppung“

Der CDU-Wirtschaftsrat lehnt die Brüssler Einigung auf neue Griechenland-Hilfen vehement ab. Dies sei nichts anderes als eine „politische Insolvenzverschleppung“, sagte Verbandspräsident Kurt Lauk am Dienstag in Berlin. Zuvor hatten sich die Euro-Finanzminister auf die Freigabe von knapp 44 Milliarden Euro an aufgelaufenen Notkrediten für Athen unter Auflagen geeinigt.

Lauk wies darauf hin, dass Griechenland seit mehr als zwei Jahren nicht mehr in der Lage sei, sich selbst am Kapitalmarkt zu refinanzieren. „Daran haben auch der erste Schuldenschnitt und zwei Rettungspakete der Euro-Staaten und des IWF über 240 Milliarden Euro nichts geändert“, betonte er. Mit den neuen Rettungsgeldern sei das griechische Problem nicht ausgeräumt, sondern nur vertagt worden.

Der Bundestag soll voraussichtlich schon an diesem Donnerstag über die weiteren Milliardenhilfen für Griechenland abstimmen. Zuvor will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die jüngsten Beschlüsse der internationalen Geldgeber in einer Regierungserklärung erläutern. Das kündigte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), am Dienstag an.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier signalisierte bereits die Unterstützung seiner Partei. „Ich werde meiner Fraktion kein Verhalten empfehlen, das dazu führen wird, dass Griechenland kurzfristig nicht mehr zahlungsfähig ist und gegebenenfalls die Eurozone verlassen muss“, sagte er im ZDF-„Morgenmagazin“.

Schäuble informierte am Dienstagmorgen die Fraktionsvorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien über die nächtlichen Entscheidungen. Am Mittag will er in Berlin eine Pressekonferenz geben.

Die internationalen Geldgeber hatten sich in der Nacht auf die Auszahlung neuer Milliardenkredite an Griechenland verständigt. Außerdem vereinbarten sie Schritte wie ein Schuldenrückkaufprogramm, Zinserleichterungen oder längere Darlehenslaufzeiten, um langfristig die Schuldenlast zu drücken.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler begrüßte die Verständigung. „Die Entscheidung ist ein positives Signal für die Stabilisierung der gesamten Eurozone. Sie zeigt die Entschlossenheit aller Beteiligten, zur Lösung der Staatsschuldenkrise beizutragen“, sagte der FDP-Politiker am Dienstag.

Am Nachmittag wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Schäuble die Beschlüsse in einer Sitzung der Unionsfraktion erläutern, auch die anderen Fraktionen wollen darüber beraten. An diesem Mittwoch wird sich voraussichtlich der Haushaltsausschuss des Bundestages damit befassen, wie Grosse-Brömer erklärte.

Die Eurogruppe will – nach der Befassung der nationalen Parlamente - am 13. Dezember endgültig die Auszahlung der Milliardenhilfen beschließen. Um diesen Zeitplan einhalten zu können, müsse der Bundestag noch in dieser Woche entscheiden, hieß es in der Unionsfraktion. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte dazu: „Ich glaube, dass es eine breite Zustimmung geben wird.“

Steinmeier forderte allerdings zunächst Klarheit über die Details der nächtlichen Beschlüsse. „Die große Einigkeit, die heute Nacht verkündet worden ist, steht ja unter einigen Vorbehalten“, sagte der SPD-Fraktionschef. So wisse er zum Beispiel nicht, ob der Internationale Währungsfonds (IWF) „wirklich dabei ist“. Viele beschlossene Maßnahmen stünden unter dem Vorbehalt, dass das Programm zum Rückkauf griechischer Schulden erfolgreich sein wird.

Trotz der Einigung der internationalen Geldgeber rechnet die SPD fest mit einem Schuldenschnitt für das angeschlagene Land im Jahr 2014. Schäuble brüste sich damit, dass der Schuldenschnitt vermieden worden sei, sagte Steinmeier. „Ich sage Ihnen: Der Schuldenschnitt ist nicht vermieden, er ist verschoben worden auf einen Zeitpunkt nach der Bundestagswahl.“ Alle Beteiligten wüssten, dass es ohne einen solchen Schnitt nicht gehe. Die Bundesregierung lehnt einen solchen Schritt bislang strikt ab.

Aber auch nach Einschätzung von FDP-Fraktionschef Brüderle könnte ein Schuldenschnitt möglicherweise auf lange Sicht doch noch kommen. „Ob zum späteren Zeitpunkt man sich arrangiert (...) ist nicht ausgeschlossen, da könnte auch eine Maßnahme dieser Art mit einbezogen sein“, sagte er im „Deutschlandfunk“. Zurzeit sei dies aber nicht der Fall. Brüderle wies zudem auf rechtliche Schwierigkeiten hin: „Mit dem bestehenden Haushaltsrecht, das hat Herr Schäuble dargelegt, geht das in Deutschland nicht.“

Ähnlich äußerte sich der Unions-Haushaltsexperte Norbert Barthle. Ein Schuldenschnitt ist aus seiner Sicht zwar vorerst abgewendet. Der CDU-Politiker räumte aber im „Inforadio“ des RBB ein: „Er wird sicherlich nicht für alle Tage vom Tisch sein.“ Denn mit den neuen Maßnahmen soll Griechenland seine Schuldenquote bis 2020 auf 124 Prozent reduzieren, 2022 auf weniger als 110 Prozent. „Das wird voraussichtlich dann im Jahr 2020 nur mit einem Schuldenschnitt gehen können.“