Die Euro-Rettung setzt die Versicherung unter Druck. Sorge über Armut bei Invaliden

Würzburg. Die Deutsche Rentenversicherung wird in den kommenden Jahren ein dauerhaftes Defizit ausweisen. Milliardenminus in der Rentenkasse - das wird das Statistische Bundesamt, der oberste Zahlenhüter des Landes, Monat für Monat verkünden. Das dürfte bei Bürgern und Politik den Eindruck verschärfen: Da stimmt etwas nicht mit der Rente. Und es ist doch falsch.

Aber ein neuer Mechanismus im EU-Fiskalpakt, den die meisten bislang nur zur Bewältigung der Euro-Schuldenkrise kennen, sorgt für helle Aufregung bei Deutschlands Renten-Papst. Der Präsident der Deutschen Rentenversicherung, Herbert Rische, ist ernsthaft besorgt, dass die EU annimmt, das deutsche Rentensystem sei marode.

Vereinfacht gesagt, darf Deutschland laut Fiskalpakt zwar Schulden machen. Sie dürfen aber höchstens bei 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen. Legt man das Jahr 2012 zugrunde, dürfen alle Sozialversicherungen zusammen (Kranken-, Renten-, Arbeitslosenversicherung) nur vier Milliarden Euro Schulden machen. Doch die macht schon die Rentenkasse allein. Die Schulden im laufenden Haushalt der kommenden Jahre sind gewollt. Sie "helfen" dabei, die fast 30 Milliarden Euro an Reserven abzutragen. Denn die Beitragszahler sollen entlastet werden.

Nach dem EU-Fiskalpakt darf das nicht sein. "Wir werden künftig jeden Monat hören: Die Rentenversicherung hat ein Defizit", sagte Rische. "Das führt zu Verunsicherung." Denn zum Fiskalpakt gehört auch eine monatliche Berichtspflicht an die EU. Diese Diskussion dürfe man jetzt nicht "Technokraten in Brüssel überlassen" oder dem Statistischen Bundesamt. "Die wissen über Zahlen Bescheid, aber nicht, was es bedeutet", sagte Rische.

Er betont, es sei ein erheblicher Unterschied, ob ein Defizit über Schulden oder den Abbau von Vermögen finanziert werde. Das dürfte zumindest die deutschen Beitragszahler und Rentner beruhigen. Brüssel könnte allerdings sogar Strafzahlungen verhängen. Das wäre im Extremfall möglich. Denn mit dem Defizit, das keins ist, würde Deutschland vermutlich gegen eine EU-Richtlinie verstoßen.

Unterdessen weist die Rentenversicherung auf einen besorgniserregenden Trend bei Frührentnern aus Krankheitsgründen hin. Mehr als jeder Dritte sei armutsgefährdet, sagte Direktor Axel Reimann. In dieser Gruppe führen Lücken bei Beitragzeiten, sinkendes Einkommen und Rentenabschläge dazu, dass 36 Prozent der Erwerbsminderungsrentner unter 806 Euro netto im Monat zur Verfügung haben, elf Prozent sind auf Grundsicherung angewiesen. Bei "normalen" Altersrentnern würden hingegen nur zwei Prozent zusätzliche Sozialhilfe beziehen. Reformen seien deshalb dringlich.

Reimann sagte weiter, der größte Teil der neuen Erwerbsminderungsrentner (41 Prozent) müsse das Arbeitsleben wegen psychischer Erkrankungen vorzeitig beenden. Rückenprobleme und Krebserkrankungen sind in 27 Prozent der Fälle der Grund für eine unfreiwillige Frühverrentung. Ende 2011 gab es rund 1,63 Millionen Bezieher von Erwerbsminderungsrente. Die Bruttoausgaben für sie lagen bei insgesamt 14,7 Milliarden Euro.