Luxemburg/Wiesbaden. Zwei Drittel der Arbeitslosen in Deutschland sind von Armut bedroht. Das geht aus aktuellen Zahlen der EU-Statistikbehörde Eurostat hervor. Mit Anteil von 67,8 Prozent (2011), die in Armut abrutschen könnten, stehen Erwerbslose in Deutschland schlechter da als im Rest der Europäischen Union. Zwar liegen für das Jahr 2011 keine vollständigen Daten vor, Deutschland führte die europaweite Statistik aber bereits in den Vorjahren an. In Frankreich waren 33 Prozent der Arbeitslosen im Jahr 2010 von Armut bedroht, in Großbritannien 47,4 Prozent, in Spanien waren es 39,1 Prozent. Als armutsgefährdet gilt nach Definition der EU-Statistiker, wer inklusive Sozialleistungen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens (Medianeinkommen) erzielt.

Das Problem betrifft nicht nur Arbeitslose. "Nicht weniger als 116 Millionen Menschen, 23 Prozent der EU-Bevölkerung, sind von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht", warnte EU-Sozialkommissar Laszlo Andor gestern anlässlich des internationalen Tags zur Beseitigung der Armut. "Etwa 40 Millionen Menschen in Europa leiden unter schwerem materiellen Mangel, und ungefähr die gleiche Anzahl kann sich jeden zweiten Tag keine Mahlzeit mit Fleisch leisten." Andor forderte mehr Unterstützung für die Armen.

Das Armutsrisiko in Deutschland steigt allerdings nicht nur bei Arbeitslosen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden waren im Jahr 2010 rund 12,8 Millionen Menschen - das sind 15,8 Prozent der Einwohner - armutsgefährdet. Besonders betroffen sind Alleinerziehende und ihre Kinder. In dieser Gruppe waren 37,1 Prozent armutsgefährdet.

Als armutsgefährdet galt nach deutscher Definition 2010, wer nach Beanspruchung staatlicher Leistungen weniger als 11 426 Euro im Jahr oder 952 Euro im Monat zum Leben hatte. Die Daten werden seit 2005 erhoben. Damals lag die Quote noch bei 12,2 Prozent. Seitdem stieg sie kontinuierlich. 2009 erreichte sie 15,6 Prozent. Der Bundesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Wolfgang Stadler, kritisierte: "Die Bundesregierung muss sich fragen lassen, wie es möglich ist, dass in wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten immer mehr Bürger arm werden."