Universität beantragt Strafverfahren, weil internes Papier zur Plagiatsaffäre veröffentlicht wurde

Berlin/Düsseldorf. In der Plagiatsaffäre um Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) steht nun die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf im Brennpunkt. Dort beschäftigt sich heute der Promotionsausschuss der Philosophischen Fakultät mit einem Gutachten, das der Ministerin unsauberes Arbeiten bei ihrer Dissertation vorwirft. Weil das Papier am Wochenende seinen Weg zu mehreren Medien fand, erstattete die Hochschule Strafanzeige gegen unbekannt.

Die Hochschule bedauere, dass Inhalte aus dem Prüfungsverfahren gegen Schavan "unter Bruch der Vertraulichkeit an die Öffentlichkeit gelangt sind", hieß es in einer Presseerklärung. Der Vorfall sei sowohl für die Ministerin als auch für die übrigen Beteiligten verletzend. Das Verfahren werde "ordentlich und mit aller notwendigen Sorgfalt" weitergeführt, versicherte die Hochschule. Das Gutachten des Judaistik-Professors Stefan Rohrbacher wirft Schavan nach verschiedenen Darstellungen vor, in ihrer Doktorarbeit bewusst Textpassagen ohne korrekten Beleg von fremden Autoren übernommen zu haben. Die Ministerin äußerte sich nicht zur Sache, Schavan reiste unterdessen zu einem zweitägigen Besuch nach Israel.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) verlangt wegen der Veröffentlichung einen Neustart des Prüfverfahrens. Er bezweifelte allerdings, dass dies möglich ist. Die Fraktion sei "einigermaßen entsetzt darüber, wie die Universität Düsseldorf mit einem solchen Verfahren umgeht", sagte Kauder. "Wir glauben, dass das Verfahren in dieser Form nicht zu Ende gebracht werden kann. In einem Gerichtsprozess würde man von Befangenheit sprechen." Er würde es für richtig halten, die Vorwürfe mit neuen Gutachtern weiter zu untersuchen, sagte Kauder. Er versicherte zugleich, dass die Fraktion zu Schavan stehe.

Der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Patrick Meinhardt, forderte ebenfalls "ein ordentliches Verfahren". Von Fairness in der Behandlung sei bisher nichts zu spüren, beklagte er. "Umso mehr begrüße ich, dass die Universität Düsseldorf jetzt Strafanzeige gestellt hat. Denn in einem solchen Verfahren ein vertrauliches Gutachten weiterzugeben ist schon ein unglaublicher Vorgang." Ähnlich äußerten sich namhafte Wissenschaftler in der "Süddeutschen Zeitung". Der Präsident der Humboldt-Stiftung, Helmut Schwarz, sagte: "Es gab schwere Fehler in dem Verfahren - die Universität sollte nun eine zweite Person bitten, die Vorwürfe sachlich zu prüfen." Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Matthias Kleiner, sagte, er sei "irritiert, dass in einem strikt vertraulichen, personenbezogenen Verfahren ein Gutachten an die Öffentlichkeit gerät, noch dazu bevor es von dem zuständigen Gremium bewertet wurde".

Auch Kleiners Vorgänger Wolfgang Frühwald sagte der Zeitung, nach der Vorabveröffentlichung könnten die zuständigen Gremien der Universität nicht mehr frei entscheiden. "Sie stehen nun unter öffentlichem Druck." In Schavans Dissertation gebe es zwar handwerkliche Fehler, von Plagiat könne man aber nicht sprechen.

Zuspruch bekam die Ministerin auch von ihrem Doktorvater. "Die Arbeit entsprach absolut dem wissenschaftlichen Standard", sagte der 88 Jahre alte Erziehungswissenschaftler Gerhard Wehle der "Rheinischen Post". Eine vorsätzliche Täuschung sei nicht vorstellbar: "Wie kann man eine Arbeit über das Gewissen schreiben und dabei täuschen?", fragte Wehle. Zudem dürfte die Arbeit aus dem Jahr 1980 nicht ausschließlich nach heutigen Maßstäben bewertet werden.