Der Fall Schavan erhitzt die Gemüter in der wissenschaftlichen Welt. Kritik richtet sich aber nicht nur an die Bildungsministerin.

Berlin. Trotz aller Zweifel an der wissenschaftlichen Korrektheit ihrer Doktorarbeit fällt es Annette Schavan nicht schwer, in der Plagiatsaffäre Pluspunkte zu sammeln. Und die Bundesbildungsministerin muss zunächst nicht einmal selbst etwas dafür tun. An der Universität Düsseldorf, aus der das vernichtende Gutachten gegen die CDU-Politikerin durchgesickert war, herrscht Nervosität. Die Campus-Uni im Süden der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt sieht sich an den Pranger gestellt.

Noch immer ist unklar, wie das umstrittene und vertrauliche Gutachten an die Öffentlichkeit gelangen konnte. Rektor Hans Michael Piper hat eigene Nachforschungen der Heinrich-Heine-Uni angekündigt. Ansonsten war zunächst nicht besonders viel zu hören von der Hochschule, die im Moment bemüht ist, sich zu modernisieren und mit Neubauten ein Signal des Aufbruchs zu setzen. Und jetzt das!

Trifft das Gutachten von Judaistik-Professor Stefan Rohrbacher über die angebliche Täuschungsabsicht Schavans bei ihrer Doktorarbeit die Sache? Dann stellt sich die Frage, warum ihr Doktorvater Gerhard Wehle die Arbeit überhaupt passieren ließ, und zwar mit der Note „Magna cum laude“. Schavan erkundete in der vor 32 Jahren erstellten Arbeit „Person und Gewissen“, wie Gewissen und eigenverantwortliches Handeln gestärkt werden können. „Die Arbeit entsprach absolut dem wissenschaftlichen Standard“, sagt der Pädagogikprofessor noch heute.

Sollte sich das Gutachten als überkritisch herausstellen? Kritik zielt etwa auf die Methode des Gutachters, der ähnlich wie die Plagiatsjäger im Internet Wort für Wort verglichen haben soll. Hat Schavan fremde Texte ohne ausreichende Nachweise übernommen? 60 Beanstandungen auf 351 Seiten der Dissertation hat Rohrbacher nach Medienberichten gefunden. Mehrere Experten haben bereits Zweifel angemeldet, dass der Täuschungsvorwurf ausreichend untermauert ist.

Besonders schlimm für die Uni ist, dass das Gutachten vor jeder weiteren Prüfung an die Öffentlichkeit gelangt ist. Die sieben Mitglieder des zuständigen Promotionsausschusses und ihre Ersatzleute trifft nun ein harter Verdacht: Einer dürfte das brisante Papier aus welchen Motiven auch immer herausgegeben haben. Eigentlich sollte sich der Ausschuss erst darüber beugen und beraten. Danach sollte Schavan gehört werden – bevor es schließlich eine Empfehlung gibt.

Der Vertrauensbruch ist nun da – und gibt Anlass für heftige Attacken. Die Chefs der großen deutschen Forschungsorganisationen - Humboldt-Stiftung, Deutsche Forschungsgemeinschaft, Helmholtz-Gemeinschaft – sind sich in ihrer Kritik an dem Verfahren einig.

So schnell wird sich nicht entscheiden, wie die Doktorarbeit Schavans offiziell bewertet wird. Unverdrossen reist die Betroffene deshalb erst einmal nach Israel, wo sie an diesem Mittwoch bekanntgibt, an welchen Universitäten Zentren zum Thema „Leben unter extremen Bedingungen“ eingerichtet werden.

Wann sich die Ministerin zu den Vorwürfen konkret äußern wird, ist noch unklar. Noch gibt es keine offizielle Bitte um Stellungnahme. Und wenn diese kommt, wird es eine umfassende schriftliche Einlassung Schavans geben.

Für einen Abgesang auf Schavan als Ministerin ist es jedenfalls zu früh. Der Schritt käme Kanzlerin Angela Merkel (CDU) alles andere als gelegen. Nicht nur ist die superloyale Schavan eine ihrer engsten Vertrauten. Auch wäre eine neuerliche Kabinettsumbildung ein Quell neuer Unruhe für die ohnehin unter Druck stehende Koalition.