In der Doktor-Affäre hält die Bundeskanzlerin an ihrer Forschungs- und Bildungsministerin fest - eine Parallele zum Fall Guttenberg.

Hamburg/Berlin. Die Bundeskanzlerin hat ihre schützende Hand über ihre loyalste Ministerin gehalten. Angela Merkel sprach Annette Schavan (beide CDU) das "vollste Vertrauen" aus, wie sie es formulierte. Die Forschungs- und Bildungsministerin muss sich gegen den Vorwurf wehren, in ihrer Doktorarbeit in Erziehungswissenschaften an der Universität Düsseldorf vor 32 Jahren gegen wissenschaftliche Regeln verstoßen und getäuscht zu haben. Merkels Rückhalt erinnert an ihre Worte zur Plagiatsaffäre des damaligen Verteidigungsministers und früheren Jura-Doktors Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) im Februar 2011. Ihre Bundesregierung habe volles Vertrauen in ihn, sagte die Kanzlerin damals.

Sie habe Guttenberg als Minister bestellt "und nicht als wissenschaftlichen Assistenten". Der bayerische Adelige wollte diesen Titel ablegen - was er rechtlich nicht kann - und trat später von allen Ämtern zurück, weil die Universität Bayreuth ihm den Doktorgrad entzog. Ein Gutachten warf ihm Täuschung und Plagiate vor. Wiederholt sich die Geschichte?

Merkel begibt sich auch in der Causa Schavan auf die sichere Seite: "Sie hat angekündigt, dass sie ihre Stellungnahme gegenüber der Universität abgeben wird. Dann wird die Universität dies zu beurteilen haben", sagte die Kanzlerin und belässt die Verantwortung damit bei der Universität. Die Heinrich-Heine-Uni schweigt. Ebenso der Doktorvater Gerhard Wehle. Das Prozedere ist vorgegeben: Der Promotionsausschuss gibt eine Empfehlung an den Fakultätsrat. Und der befindet womöglich noch nächste Woche darüber, ob Schavan die Doktorurkunde entzogen wird.

Politisch liegen die Optionen ebenfalls auf dem Tisch: Sollte Schavan, die sich im Fall Guttenberg hinter die wissenschaftlichen Standards gestellt hat, der Doktorhut abgenommen werden, ist sie praktisch alles los: kein Studienabschluss, denn Schavan hatte ohne Magister oder Diplom "durchpromoviert", was früher in einigen Fächern üblich war. Keine Honorarprofessur mehr an der FU Berlin, denn die Uni hatte bereits dem neuen Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen die Honorarprofessur verweigert, weil er in der Affäre um den Bremer Guantánamo-Häftling Murat Kurnaz eine unglückliche Rolle gespielt haben soll.

Und vermutlich kein Ministeramt. "Sie kann als Wissenschaftsministerin nicht mehr glaubwürdig ihre Arbeit tun, sollten sich diese Vorwürfe erhärten", sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles stellvertretend für viele. Die Vize-Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Sylvia Löhrmann (Grüne), forderte Schavan auf, die Vorwürfe "im Einvernehmen mit der Uni" aufzuklären. "Ansonsten kann Frau Schavan ihr Amt als Bundeswissenschaftsministerin nicht mehr glaubwürdig ausüben."

Der FDP-Bildungspolitiker Patrick Meinhardt sagte, Vorverurteilungen seien nicht angebracht. Schavan müsse eine faire Chance bekommen, ihre Sicht darzustellen. "Hier hat die Ministerin selbst einen hohen Anspruch in der Vergangenheit bei der Beurteilung in entsprechenden Situationen gesetzt. Und dass sie als Wissenschaftsministerin ihren eigenen Ansprüchen auch gegen sich selbst gerecht werden muss, liegt auf der Hand", so Meinhardt.

Doch Arglist und Kopierlust sind bei Schavans Arbeit anders gelagert als bei Guttenberg. Der Doktorand aus gutem Hause hatte in erheblichem Umfang Textteile anderer montiert und als eigene Gedanken verkauft. Gerade weil er von einer Überlastung während der Promotionszeit sprach, vom Jonglieren mit Karriere und Familie, werteten die Gutachter seine Plagiate und die Schummelei als so gravierend. Da wirkten Guttenbergs wolkige Erklärungen eher kontraproduktiv.

Bei Schavan sollen auf 60 von 351 Seiten Ungereimtheiten festgestellt worden sein. Es geht vor allem um falsches Zitieren. Nicht die Originalautoren, sondern nur Bücher über sie sollen an mehreren Stellen zitiert worden sein. Das ist nicht akzeptabel für wissenschaftliches Arbeiten - aber kein Grund für den Entzug eines Titels. Die Detektive von "Schavanplag" im Internet wollen - ohne nähere Beweise - weitere Plagiate festgestellt haben. Der Uni-Gutachter Stefan Rohrbacher soll Schavan eine "leitende Täuschungsabsicht" unterstellen. Schavan weist das alles von sich. Zur Sache selbst will sie sich nur gegenüber der Uni erklären. Dabei ist Öffentlichkeit gerade das Grundprinzip einer Doktorarbeit. Täuschung bei der Promotion verjährt nicht. Die Fehler, die der Ministerin heute vorgeworfen werden, wären auch 1980 nicht akzeptiert worden. Wenn denn die Arbeit schärfer begutachtet worden wäre. Das war offensichtlich auch bei Guttenberg der Fall. Seine Arbeit hatte die Note summa cum laude erhalten - ausgezeichnet. Kein Ruhmesblatt für die Doktorväter.

Es gibt aber auch die Parallele zum Fall des niedersächsischen Kultusministers Bernd Althusmann (CDU). Die Uni Potsdam wies ihm schwere Fehler in seiner Dissertation nach. Für den Entzug seines Doktorhuts reichten die Vorwürfe aber nicht. Schavans Arbeit dreht sich um "Person und Gewissen". Im August sagte sie: "Das Gewissen hilft einem, den richtigen Zeitpunkt für die Abgabe eines Amtes zu finden."