Forscher: Wichtig sind vor allem Wahlmöglichkeiten zwischen Geld, Infrastruktur und Zeit

Berlin. Der Einfluss der Familienpolitik auf die Entscheidung junger Paare für ein Kind wird nach Meinung von Wissenschaftlern überschätzt. Es sei ein Mythos, dass sich die Geburtenrate mithilfe einzelner familienpolitischer Entscheidungen direkt beeinflussen lasse, sagte Katharina Spieß vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Die Bildungsökonomie-Professorin ist Mitautorin einer Stellungnahme zum demografischen Wandel, die von der interdisziplinären Arbeitsgruppe "Zukunft mit Kindern - Fertilität und gesellschaftliche Entwicklung" vorgelegt wurde.

Familienpolitik könne zwar einen Beitrag bei der Entscheidung junger Paare für Nachwuchs leisten. Einen kausalen Zusammenhang gebe es aber nicht. Die konkreten Wirkungen der Politik hingen zudem sehr stark von wirtschaftlichen, regionalen und weiteren Faktoren ab. Auch seien keine kurzfristigen, sondern eher längerfristige Wirkungen zu erwarten. Insgesamt bräuchten Eltern bei ihrer Entscheidung für Kinder Wahlmöglichkeiten zwischen Geld, Infrastruktur und Zeit, unterstrich die Wissenschaftlerin. Je nach Familiensituation fänden dabei "unterschiedliche Akzentuierungen" zwischen diesen Faktoren statt.

Hinter der Studie stehen die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina. In der Analyse hat die interdisziplinäre Arbeitsgruppe die Situation in Deutschland, Österreich und der Schweiz untersucht. Dabei beschäftigten sich die Wissenschaftler auch mit Mythen und Legenden zu Geburtenraten und Fruchtbarkeit, etwa dass sich die Samenqualität bei Männern in den vergangenen Jahrzehnten verschlechtert habe oder niedrige Geburtenraten eine Folge der Erwerbstätigkeit von Frauen sind.

Ferner geben die Autoren Empfehlungen, was sich in der Gesellschaft ändern muss, damit sich Eltern und Kinder wohlfühlen. Die Empfehlungen betreffen neben der Familienpolitik auch Sexualfragen und die Reproduktionsmedizin. So raten die Autoren etwa dazu, Frauen durch gezielte Aufklärung rechtzeitig auf die individuelle Entscheidung für ein Kind vorzubereiten. Kinder und Jugendliche seien über die Zusammenhänge zwischen Sexualität und Fruchtbarkeit nicht hinreichend informiert, stellten die Experten fest. Weitere Empfehlungen der Experten: Die gemeinsame Familienzeit sollte in Gestalt eines Familienzeitkredits über den ganzen Lebenslauf hinweg abgesichert werden. Staatlicherseits sollte eine transparente, unbürokratische und verlässliche Kindergrundsicherung eingeführt werden.