Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dem international umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban Fortschritte bei den von der EU geforderten Reformen bescheinigt. Das Land habe die Kritik der europäischen Partner beherzigt, sagte Merkel nach einem Treffen mit Orban gestern in Berlin. Ungarn habe "da, wo Zweifel waren" gesetzliche Veränderungen vorgenommen, etwa beim Wahlrecht und in der Pressepolitik.

Kritik an dem mit einer Zweidrittelmehrheit seiner rechtskonservativen Fidesz-Partei regierenden Orban äußerte sie bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Orban nicht. Autoritäre Tendenzen haben das Land in der EU zunehmend isoliert. Wegen Eingriffen in die unabhängige Justiz und in den Datenschutz laufen Vertragsverletzungsverfahren der EU. Sorgen gab es auch um die Pressefreiheit.

Orban und Merkel betonten die enge wirtschaftliche Verflechtung Ungarns und Deutschlands. Etwa 1,2 Millionen der zehn Millionen Ungarn hingen wirtschaftlich von deutschen Unternehmen ab, sagte Orban. "Was für die deutsche Wirtschaft gut ist, ist auch gut für Ungarn", betonte er und sicherte zugleich eine Fortsetzung der fiskalpolitischen Konsolidierung zu.

Merkel äußerte "großes Verständnis" dafür, dass sich Ungarn derzeit nicht mit einem Beitritt zur Euro-Zone befasst. Orban schloss einen solchen Beitritt nicht völlig aus, sagte aber: "Wir lehnen den Euro keineswegs ab, aber wir möchten nicht als Laien beitreten."

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir kritisierte, Merkel gewähre Orban erneut "Parteibuch-Rabatt in Demokratiefragen". Anstatt die Einschränkung der Pressefreiheit, die zunehmende Behinderung der Opposition oder die offenen antisemitischen und rassistischen Vorfälle zu benennen und die Einhaltung der EU-Grundrechtecharta einzufordern, werde der rote Teppich ausgerollt.