Bernd Riexinger demonstrierte in Athen gegen die Kanzlerin. In Deutschland wird er dafür gescholten

Berlin. Der Vorsitzende der Linken, Bernd Riexinger, hatte ursprünglich geplant, am Dienstag in Athen vor Zigtausenden Demonstranten zu sprechen. Er ließ dann doch von seinem Vorhaben spontan ab. Der Proteststurm, der Riexinger in Deutschland ohnehin erwartete, wäre womöglich noch heftiger ausgefallen. Allein sein Gesicht für die Anti-Merkel-Demo herzugeben, bei der vor dem griechischen Parlament auch Schmähplakate gegen die Bundeskanzlerin mit Nazi-Vergleichen gezeigt und Hakenkreuz-Fahnen verbrannt wurden, hat ihm harsche Kritik eingebracht.

Als verantwortungsvoller Parteichef einer demokratischen Partei in Deutschland habe Riexinger versagt, sagte der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD), dem Abendblatt. "Ich finde es sehr problematisch, die eigene Regierungschefin im Ausland auf diese Weise zu kritisieren." In der Form, die Riexinger gewählt habe, "tut man das einfach nicht". In der Sache liege der Linken-Parteichef zudem völlig falsch, so der SPD-Politiker. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), fand Riexingers Reise zur Demonstration in Athen "eine merkwürdige Art, den Griechen zu helfen".

FDP-Generalsekretär Patrick Döring kritisierte in der "Passauer Neuen Presse", Riexinger breche bewusst mit außenpolitischen Gepflogenheiten und verschärfe die Lage vor Ort, "weil er und seine Partei die marktwirtschaftliche Grundidee Europas und den Kurs der Konsolidierung konsequent ablehnen". Zudem nehme er gewalttätige Eskalationen und eine weitere Verzerrung des Deutschland-Bildes billigend in Kauf.

Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, nannte es "beispiellos und empörend", wie der Vorsitzende einer im Bundestag vertretenen Partei die anti-deutschen Proteste in Athen als Bühne nutze, um Politik gegen die Interessen des eigenen Landes zu machen. Deutschland sei solidarisch mit Griechenland, wenn auch nicht bedingungslos. "Diese Solidarität tritt Herr Riexinger mit Füßen", sagte Hasselfeldt.

Riexinger rechtfertigte sich: Er habe "für die Interessen der deutschen Steuerzahler demonstriert", sagte er der "Berliner Zeitung". Merkel beharre aber auf einer Politik des Abwürgens wirtschaftlicher Potenziale. "Damit schadet sie auch den deutschen Steuerzahlern." Seine Kovorsitzende Katja Kipping nannte die Kritik an Riexinger im Abendblatt "scheinheilig und vordemokratisch". In einem gemeinsamen europäischen Haus gebe es auch europäische Demonstrationsfreiheit, sagte Kipping. Riexinger habe das gemacht, was die Kanzlerin versäumt habe. "Merkel hätte sich den verzweifelten Menschen von Athen stellen sollen."

Angela Merkel selbst reagierte gelassen auf Riexingers umstrittenen Auftritt in Athen während ihres Staatsbesuchs. "Das Demonstrationsrecht ist uns sehr wichtig", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Wie und wo Riexinger dieses Recht wahrnehme, sei seine Sache. Auch Linksfraktionschef Gregor Gysi verteidigte die Teilnahme seines Parteivorsitzenden, verurteilte allerdings das Zeigen von Nazi-Symbolen auf der Demo. "Sie passen weder zu Frau Merkel noch zu dieser Bundesregierung", sagte Gysi.