Wer kennt den Text? Wer hat die Musik geschrieben? Fragen, bei denen viele passen müssen

Rostock. "Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland." Die ersten Worte der Nationalhymne gehen den meisten Menschen in Mecklenburg-Vorpommern noch zügig über die Lippen. Bei "Danach lasst uns alle streben, brüderlich mit Herz und Hand" müssen jedoch schon einige passen. Bis zur Schlusszeile "Blühe deutsches Vaterland!" kommt kaum jemand. Für viele der über 40-Jährigen mit ostdeutschen Wurzeln hat die Hymne keine Bedeutung, zu sehr geprägt sind sie von "Auferstanden aus Ruinen", der einstigen DDR-Hymne von Johannes R. Becher. Einer Umfrage aus dem Jahr 2009 zufolge kennen 51 Prozent der Westdeutschen den Text der deutschen Nationalhymne, bei den Ostdeutschen ist es nur ein Drittel.

"Es ist bedauerlich, dass der Wert der Hymne in der Bevölkerung immer weiter sinkt", sagt der CDU-Landtagsabgeordnete Marc Reinhardt. Für ihn ist es wichtig, dass das Lied der Deutschen den jungen Menschen in der Schule nahegebracht wird. Im Sozialkundeunterricht könne über Sinn und Inhalt diskutiert werden - auch über die erste Strophe mit der umstrittenen Textzeile "Deutschland, Deutschland, über alles, über alles in der Welt". Es geht Reinhardt nicht nur um die theoretische Kenntnis. "Die beste Möglichkeit, den Text zu lernen, ist zu singen." Eine große Rolle spielten Vorbilder, auch die Spieler der Fußballnationalmannschaft. "Ich erwarte von jedem Fußballer, der für Deutschland spielt, dass er die Hymne mitsingt", betont Reinhardt, der auch Landeschef der Jungen Union ist. Bei diesen schlechten Vorbildern sei es nicht verwunderlich, dass junge Menschen keine Beziehung zur Hymne hätten, moniert der CDU-Politiker. Die vielen schweigenden Spieler bei der Fußball-EM hatten für Diskussionen gesorgt.

Die Hymne ist laut Bildungsministerium bis zur zehnten Klasse in den Fächern Deutsch, Musik und Geschichte angesiedelt. "Dabei geht es beispielsweise um die Entstehungsgeschichte und ihre Bedeutung", sagt Ministeriumssprecher Henning Lipski. Festlegungen im Rahmenplan müssen von den Lehrern zu 60 Prozent erfüllt werden, die Hymne kann also durchaus hinten runterfallen. "Aber in vielen Fällen wird sie wegen ihrer besonderen Bedeutung für die Allgemeinbildung behandelt", ist sich Lipski sicher. "Politische Symbole wie Flaggen oder Hymnen sind wichtig", betont Jochen Schmidt, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung. "Von Bedeutung ist aber, dass diese Symbolik mit demokratischen Inhalten gefüllt ist." Die Schüler sollten an die Hymne herangeführt werden und sich selbst ein Urteil bilden. Auswendig lernen müsse aber nicht sein. "Man kann es nicht verordnen, dass jeder die Nationalhymne frei mitsingen kann." "In der politischen Linken gibt es viele, die den Gedanken des Nationalstaates wenig schätzen, somit auch nationale Symbole wie die Hymne", sagt der Landeschef Steffen Bockhahn. Die Hymne sei durch ihren vollständigen Text und wegen der Verwendung bei den Nazis belastet. "Es gibt viele andere sehr geeignete Lieder. Erinnert sei zum Beispiel an die Kinderhymne von Bertolt Brecht."