Beck tritt Anfang kommenden Jahres zurück. Rheinland-Pfalz soll künftig von Sozialministerin Malu Dreyer regiert werden: “Nachfolgerin der Herzen“.

Mainz. Der Blick vom Restaurant auf die Schlucht der Saane war herrlich, das Roastbeef im l'Aigle Noir rosig und zart. Doch dann klagte der Wirtschaftsminister des Schweizer Kantons Fribourg beim Essen über eine neue Brücke, deren Kosten derart explodiert waren, dass nun ein Untersuchungsausschuss tagt. "Das kommt uns allen nur zu bekannt vor", knurrte Kurt Beck. Das Thema, dem der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz bei seinem Besuch in der Schweiz endlich mal für ein, zwei Tage hatte entkommen wollen, hatte sich unvermutet wieder mit an den Tisch geschlichen.

Kostenfalle, Untersuchungsausschuss, ein bevorstehender Strafprozess gar wegen der dubiosen Finanzierung des Freizeitparks am Nürburgring: All das verfolgt Kurt Beck seit Monaten auf Schritt und Tritt. Der dienstälteste Regierungschef Deutschlands hat erkennen müssen: Das Millionendebakel in der Eifel belegt sein Lebenswerk mit einem nicht mehr zu tilgenden Makel. Vielleicht ist es diese Einsicht, die den 63-Jährigen nach fast zwei Jahrzehnten auf dem Thron von Rheinland-Pfalz nun doch zum vorzeitigen Rücktritt bewegt. Dabei hatte der SPD-Landeschef bisher stets verkündet, bis 2016 im Amt bleiben zu wollen, "sollte es meine Gesundheit zulassen". Er wolle das, was da schiefgelaufen sei, wieder in Ordnung bringen. Statt seiner wird nun aber wohl zum ersten Mal in der Geschichte des Landes eine Frau auf dem Mainzer Regierungschefposten Platz nehmen: Die 51-jährige Malu Dreyer, seit zehn Jahren erst Mitglied der SPD, soll Landesmutter werden. Malu Dreyer gehört Becks Regierung seit neun Jahren als Sozialministerin an. Und auch wenn ihr Name bisher immer mal wieder genannt worden war, als es um potenzielle Beck-Nachfolger ging: Bisher war nicht klar, ob sich die sympathische, nicht nur in der SPD überaus beliebte Juristin den Stressposten zumuten würde. Dreyer galt zwar der SPD als "Nachfolgerin der Herzen". Doch die in Neustadt an der Weinstraße geborene Ex-Richterin hat seit fast zwei Jahrzehnten eine schleichende Form der Multiplen Sklerose (MS). 2006, damals bereits seit vier Jahren Sozial- und Arbeitsministerin im Land, ist die frühere Bürgermeisterin von Bad Kreuznach damit auch an die Öffentlichkeit gegangen. Ihr Leiden, eine chronische Entzündungskrankheit des zentralen Nervensystems, war später auch nicht mehr zu übersehen. Zeitweise muss sich die Politikerin im Rollstuhl fortbewegen. Doch sie sagt, dass es ihr eigentlich hervorragend geht. Die Krankheit schreite nicht fort. "Mir geht es unheimlich gut. Ich kann nur nicht gut laufen", sagte Malu Dreyer, die eigentlich Marie Louise heißt, im vergangenen Jahr in einem Interview.

Beck sagte am Freitag bei seiner Rücktrittsankündigung, er gehe nicht wegen der Nürburgring-Affäre, sondern weil "ich seit einem Krankenhausaufenthalt im letzten Winter weiß, dass ich ein erhebliches Problem mit der Funktion meiner Bauchspeicheldrüse habe. Das ist recht ernst zu nehmen." Zu seiner Nachfolge sagte Beck, Innenminister Roger Lewentz solle Landeschef werden und Sozialministerin Malu Dreyer Ministerpräsidentin. "Ich bin froh und dankbar, dass die gesundheitliche Verfassung von Malu Dreyer es erlaubt, dass sie die Aufgabe als Ministerpräsidentin in diesem Land wahrnehmen kann, und ich bin sicher, hervorragend wahrnehmen wird."

In der Landes-SPD stößt ihre Berufung auf große Zustimmung; ihr wird eher als Lewentz zugetraut, es mit der Herausforderin Julia Klöckner (CDU) aufzunehmen. Denn ins Ressort von Lewentz gehört nun einmal der Nürburgring, die Pleite in der Eifel hat auch ihn beschädigt. Der einstige Generalsekretär der Landes-SPD könnte bei der Vorstandswahl am 10. November zum neuen SPD-Chef gekürt werden.

Die SPD braucht als Ersatz für den beliebten Landesvater eine starke Frontfigur, um gegen die 39-jährige Oppositionsführerin Klöckner zu bestehen. Die ehemalige deutsche Weinkönigin will mit ihrer frischen Art und einem meist strahlenden Auftreten bei der Landtagswahl 2016 Rheinland-Pfalz für die CDU zurückerobern. Im Frühjahr 2011 war die studierte Theologin immerhin schon bis fast an die SPD herangekommen.

Für die Christdemokraten sind die Probleme des Bundeslandes mit Becks Rückzug nicht vom Tisch: "Beck geht, aber das ,System Beck' bleibt", kritisierte CDU-Generalsekretär Patrick Schnieder. Die Junge Union und die Linkspartei, die derzeit nicht im Landtag vertreten ist, fordern Neuwahlen.