Eckpunkte der Ministerin

Eine gesetzliche Neuregelung strebt das Bundesjustizministerium an, nachdem das Kölner Landgericht die Beschneidung als rechtswidrige Körperverletzung eingestuft hatte. Nach den Plänen der Bundesregierung bleibt ein solcher Eingriff zwar grundsätzlich eine Körperverletzung, die aber straffrei bleibt und nicht rechtswidrig ist, wenn die Eltern zustimmen und der Eingriff schonend, fachgerecht und mit Schmerzbehandlung erfolgt. Soweit der Plan der Ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Der Staat soll auch nicht nachforschen, welche Motive dem Eingriff zugrunde liegen.

Kinderärzte sind entsetzt

Die Kinder- und Jugendärzte zeigten sich "entsetzt" über die Regierungspläne. Nach Auffassung ihres Verbandes müsse "das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit" über Elternrecht und Religionsfreiheit stehen.

Kein Einwand der Urologen

Die Urologen bejahen die geplante Gesetzesänderung. "Die Gesetzesänderungen werden die bestehende Rechtsunsicherheit beheben", sagte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Urologie, Oliver Hakenberg gestern in Leipzig. "Wir haben nie ganz verstanden, warum ein einzelnes Landgericht dieses Riesenfass aufgemacht hat."

Reaktionen des Parlaments

Die Bundestagsabgeordneten reagierten sehr unterschiedlich auf die Eckpunkte der Neuregelung. Die kinderpolitischen Sprecherinnen ihrer Fraktionen, Marlene Rupprecht (SPD), Diana Golze (Die Linke) und Katja Dörner (Bündnis 90/Die Grünen), nannten den Vorschlag nicht zustimmungsfähig. "Kinder sind Träger eigener Rechte. Ihre Rechte dürfen nicht - weder religiös motiviert noch aus anderen Erwägungen - zur Disposition gestellt werden", hieß es gestern in einer gemeinsamen Erklärung der drei Bundestagsabgeordneten. Es sei erschreckend, dass das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit bei den Überlegungen der Bundesregierung offensichtlich nur eine untergeordnete Rolle spiele. Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Josef Winkler, sprach dagegen von einem "praktikablen Vorschlag". "Das Ziel, Rechtssicherheit für Angehörige jüdischen und muslimischen Glaubens mit dem Schutz des Kindeswohls zu verbinden, scheint auf diesem Weg zu lösen zu sein." Nun müsse ausreichend Zeit für Beratungen im Bundestag bleiben. Abgeordnete der Linken warnten vor der Auffassung, die Beschneidung widerspreche dem Kindeswohl. Dies unterstelle der Mehrheit der jüdischen und muslimischen Eltern, unverantwortlich mit ihren Kindern umzugehen.

Lob der Türkischen Gemeinde

Die Türkische Gemeinde in Deutschland lobte, die Eckpunkte hätten die Vorbehalte muslimischer Verbände zur geplanten gesetzlichen Regelung aus dem Weg geräumt. Der Verband begrüßte besonders, dass das Papier nicht speziell auf die religiöse Motivation für eine Beschneidung abhebt. Auch für nichtreligiöse Türken gehöre der Eingriff zur kulturellen Identität.

Kinderschutz will Mitsprache

Der Kinderschutzbund pocht auf eine stärkere Berücksichtigung des Willens der betroffenen Kinder. "Sie müssen vom Arzt nach fachlicher Aufklärung gefragt werden, ob sie mit der Beschneidung einverstanden sind", forderte Kinderschutzbund-Präsident Heinz Hilgers in der "Passauer Neuen Presse". Gerade bei muslimischen Kindern, die häufig erst im Grundschulalter beschnitten würden, drohten "schwere Traumatisierungen".