Festakt zum 70. Geburtstag des Bundesfinanzministers

Berlin. Die Veranstaltung ist lange geplant gewesen. Aber als Volker Kauder gestern im Deutschen Theater ans Rednerpult tritt, weiß er genau um die Ironie dieses Termins. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lädt ausgerechnet in dem Moment ins Theater, in dem die schwarz-gelbe Koalition draußen im wahren Leben eine Posse um das Betreuungsgeld aufführt. "Theater gibt es doch genügend, meinen viele - auf offener Bühne", sagt Fraktionschef Kauder also bei der Feier zum 70. Geburtstag von Wolfgang Schäuble. "Heute aber", stellt er klar, "findet hier Regietheater statt."

Tatsächlich ist die Feierstunde mit fast allen Spitzen der deutschen Politik so sorgfältig orchestriert, dass jede Anspielung bedeutsam erscheint. Kauder spielt mit dem Koalitionsstreit und mit der Präsenz der zahlreichen Grünen-Gäste. Schäuble wird als "Langzeitgedächtnis der Bundesrepublik" gewürdigt, als Fels in der europäischen Schuldenkrisen-Brandung. Kanzlerin Angela Merkel schmeichelt ihm als Mit-Architekten von deutscher Einheit und europäischer Integration. Und die extra aus Washington eingeflogene IWF-Chefin Christine Lagarde würdigt "Wolfgang, meinen Freund" so fintenreich, dass sowohl Zuneigung als auch Differenzen sichtbar werden.

Schnell wird deutlich, dass der Sinn der Feierstunde nicht nur in der Würdigung des meinungsfreudigen Freiburgers liegt, der bald auch seine 40-jährige Zugehörigkeit zum Bundestag feiert. Offensichtlich bringt die Unionsspitze nach Altkanzler Helmut Kohl nun auch dessen langjährigen Weggefährten gegen die Euro-Kritiker in den eigenen Reihen in Stellung. Im Herbst stehen weitere schwierige Entscheidungen zu neuen Hilfspaketen und Kompetenzübertragungen auf europäischer Ebene an. Wenn sich die Partei-Ikonen dafür aussprechen, ist dies leichter durchzusetzen, weiß Merkel, die permanent auf die Notwendigkeit hinweist, Kohls Europa-Erbe durch eine noch tiefere Integration zu retten.

Im Deutschen Theater wird auch deutlich, dass Schäuble und die Kanzlerin vor allem Respekt und Loyalität, aber weniger enge Freundschaft eint. "Ich habe Ihnen ja gesagt, Sie können sich auf meine Loyalität verlassen. Aber Sie wissen, was Sie tun", erinnert Schäuble an die Worte, mit denen er die neu gekürte Kanzlerin 2005 warnte, ihn ins Kabinett zu holen. Und sogar seine leicht spöttische Distanz zum Politikbetrieb und den Aufgeregtheiten der Hauptstadt wird deutlich. So trug der Schauspieler Ulrich Matthes für den Badener den fast 100 Jahre alten Text "Berlin, Berlin" von Kurt Tucholsky vor, in dem dieser die geschäftige Aufgeblasenheit der Hauptstädter liebevoll aufspießte.

Am Ende liefert ein sichtlich gerührter Finanzminister in Anlehnung an Schiller auch seine eigene Philosophie, die vielleicht erklärt, wieso er trotz etlicher politischer und körperlicher Schicksalsschläge in Top-Positionen durchgehalten hat. "Das eigentliche Risiko ist immer der Mensch. Wir sind immer in der Gefahr, das, was wir haben, durch Übertreiben wieder zu zerstören." Das klingt wie die gut gelaunte Mahnung eines 70-Jährigen sowohl an die reformmüden Euro-Partner als auch an die Streithähne der schwarz-gelben Koalition.