Wirtschaftsminister Rösler greift von der Leyens Armutsbericht an

Hamburg/Berlin. Zwischen den privat befreundeten Bundesministern Ursula von der Leyen (CDU; Arbeit) und Philipp Rösler (FDP; Wirtschaft) ist ein erbitterter Streit ausgebrochen. Hintergrund sind von der Leyens Zuschussrente sowie der Armuts- und Reichtumsbericht ihres Hauses. Rösler, der wie von der Leyen in Niedersachsen beheimatet ist, wittert sogar eine Öffnung der CDU gegenüber der SPD.

Öl ins Feuer goss ein Satz aus dem Armutsbericht, den die Liberalen wie eine Aufforderung lesen, die Steuern für Vermögende anzuheben. Das käme dem Vorschlag von SPD und Linken gleich, die Besserverdienenden an der Finanzierung neuer Leistungen für Bedürftige stärker zu beteiligen. "Die Bundesregierung prüft, ob und wie über die Progression in der Einkommenssteuer hinaus privater Reichtum für die nachhaltigen Finanzierungen öffentlicher Aufgaben herangezogen werden kann." So steht es im Text. Röslers Haus sieht das als Aufforderung, eine Idee zur Steuererhöhung zu entwickeln. Der Wirtschaftsminister selbst sagte während seiner Fernostreise in Bangkok, er halte neue Umverteilungsvorschläge "ausdrücklich für falsch".

"Vor allem Forderungen nach höheren Steuern für die, die den Sozialstaat finanzieren, lehnt das Ministerium entschieden ab", zitierte das "Handelsblatt" eine Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums. Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sprang von der Leyen bei. Die Regierungschefin einer Koalition mit der SPD sprach sich für einen höheren Spitzensteuersatz aus.

Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte sich dagegen hinter Rösler: "Ich halte von Vermögensabgaben nichts", sagte sie dem TV-Sender Sat.1. Sie erinnerte daran, "dass zehn Prozent der Wohlhabendsten 55 Prozent der Steuereinnahmen generieren". Zugleich betonte Merkel, der Bericht und seine Maßnahmen würden nun in der Bundesregierung abgestimmt - "da ist noch nicht einmal die erste Runde gelaufen".

Von der Leyens Haus wies alle Spekulationen aus Röslers Wirtschaftsministerium zurück. Es gehe bei der umstrittenen Passage "ausschließlich und allein um das Thema der gesellschaftlichen Verantwortung und des Engagements im Rahmen von freiwilligen Spenden- und Stiftertätigkeiten". Also um Spenden aus Millionärskreisen. Von der Leyen erklärte zu Röslers Verdacht über Steuererhöhungen: "Die Prüfaussage in diesen Zusammenhang zu stellen ist absolut konstruiert."

Der SPD-Vizefraktionsvorsitzende Hubertus Heil sprach von einer "Schmierenkomödie" in der Regierung. "Während Frau von der Leyen soziale Ungerechtigkeit beklagt, ohne als zuständige Ministerin tatsächlich etwas zu ändern, will sich der FDP-Vorsitzende in seiner Partei als Kämpfer gegen vermeintliche Umverteilung in Szene setzen", kritisierte er.