Helfer des Terror-Trios soll über viele Jahre V-Mann des Landeskriminalamts Berlin gewesen sein

Berlin. In der Affäre um die Neonazi-Mordserie geraten die Berliner Sicherheitsbehörden unter Druck. Innensenator Frank Henkel (CDU) kündigte eine lückenlose Aufklärung der Frage an, ob sich weitere Taten des Neonazi-Trios bei einer besseren Arbeit der Hauptstadt-Beamten hätten verhindern lassen. "Mir ist bewusst, dass solche Vorgänge kein günstiges Licht auf unsere Sicherheitsbehörden werfen", sagte er. Ihm sei aber wichtig, "dass wir den Angehörigen der Opfer der NSU-Mordserie deutlich machen, dass wir alle unser Möglichstes tun, um diese entsetzliche Terrorserie aufzuklären".

Henkel bezog sich auf einen Bericht von "Spiegel Online", wonach einer der 13 Beschuldigten im Verfahren um die Mordserie der Neonazi-Zelle über zehn Jahre als Informant für das Berliner Landeskriminalamt arbeitete. Der heute 44-Jährige soll den Mitgliedern des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) in den 1990er-Jahren Sprengstoff beschafft haben. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger warnte, das Vertrauen in den Rechtsstaat drohe angesichts der Pleiten- und Pannenserie langfristig beschädigt zu werden.

Das Berliner Landeskriminalamt habe Thomas S. von 2000 bis Anfang 2011 als Vertrauensperson geführt, berichtete der "Spiegel" auf seiner Internetseite ohne Nennung von Quellen. Erst im März hätten die Berliner Beamten die Bundesanwaltschaft informiert, dass der Verdächtige seinen V-Mann-Führern bei insgesamt fünf Treffen zwischen 2001 und 2005 Hinweise auf NSU-Mitglieder lieferte. Er sei eine Größe in der sächsischen Neonazi-Szene gewesen. 1996 und 1997 sei er zudem mit dem überlebenden NSU-Mitglied Beate Zschäpe liiert gewesen. Die beiden anderen NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten sich im November 2011 erschossen.

Gegenüber dem Bundeskriminalamt habe S. gestanden, dass er Mundlos etwa in der Zeit des Techtelmechtels mit Zschäpe ein Kilogramm Sprengstoff besorgt habe, berichtete das Magazin. Später habe er dem Trio beim Untertauchen geholfen. Seit 1998 habe er die NSU-Mitglieder nach eigenen Worten nicht mehr gesehen. 2001 habe S. den Berliner Polizisten jedoch Hinweise auf einen potenziellen Kontaktmann des Trios gegeben. Was mit den Angaben geschah, sei unklar. Das Zwickauer Neonazi-Trio soll zwischen 2000 und 2007 neun Einwanderer und eine Polizistin ermordet haben. Es flog erst im November 2011 durch Zufall nach einem Banküberfall auf.

Im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages sorgte das Verhalten der Berliner Sicherheitsbehörden für massive Kritik. "Es ist ärgerlich, dass es immer wieder vorkommt, dass Behörden unsensibel wirken", sagt der Unions-Obmann im Ausschuss, Clemens Binninger, dem NDR. Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele erklärte, es gebe Hinweise, dass der Bundesverfassungsschutz S. überwacht und abgehört habe, als er mit Zschäpe liiert war. Die Behörde müsse nun umgehend offenlegen, welche Erkenntnisse sie bei der Überwachung gesammelt habe.

Auch der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, nannte es unsäglich, dass immer wieder neue Informationen und Quellen auftauchten, die längst hätten bekannt sein und vorgelegt werden müssen. "Ich glaube, dass in der Bundesregierung und auch in den Sicherheitsbehörden die Dimension des Vertrauensschadens immer noch unterschätzt wird", sagte er. Trotz der Pannen hält er aber nichts von einer Abschaffung des Verfassungsschutzes und des Militärgeheimdienstes MAD. Notwendig seien durchgreifende Reformen. Das Ausmaß des Vertrauensschadens werde in der Regierung und in den Sicherheitsbehörden unterschätzt, so Oppermann weiter.