Das Militär sei 1989 gewaltsam angegriffen worden und habe sich mit Waffen gewehrt. Die Zahl der Toten von 2600 halte er für übertrieben.

Hamburg. Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) hat das Verhalten der chinesischen Regierung während des Volksaufstandes im Jahr 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens (Tiananmen) in Peking verteidigt. Das Militär sei mit Steinen und Molotowcocktails angegriffen worden und habe sich mit Waffen gewehrt, sagte Schmidt dem "Zeit"-Magazin. Die vom Roten Kreuz geschätzte Zahl der Toten von 2600 bei der gewaltsamen Niederschlagung des Aufstands halte er für "weit übertrieben". Botschafter in Peking hätten die Zahl viel niedriger eingeschätzt.

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Schmidt sagte, es müsse berücksichtigt werden, dass zu der Zeit erstmals nach langer Pause der sowjetische Staats- und Regierungschef Michail Gorbatschow in Peking zu Besuch gewesen sei. Gorbatschow habe aufgrund der Proteste die Große Halle des Volkes durch die Hintertür betreten müssen. Für Chinas damaligen Staatschef Deng Xiaoping sei dies "ein enormer Gesichtsverlust" gewesen. Entscheidend sei aber gewesen, dass China zu dieser Zeit keine kasernierte Polizei gehabt habe. Der Regierung habe zum Eingreifen somit nur das Militär zur Verfügung gestanden. "Und die Soldaten hatten nur gelernt zu schießen." Deng Xiaoping gelte zwar offiziell als Befehlsgeber, er sei sich aber nicht sicher, ob dies auch zutreffe, sagte Schmidt.

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Er würde auch heute noch Deng als den erfolgreichsten kommunistischen Führer der Weltgeschichte bezeichnen, so der Altkanzler. Der KP-Chef habe das Land nachhaltig zum Guten verändert. Die Aussage, dass in China die Freiheitsrechte zugunsten des Wohlstands "geopfert" würden, sei falsch. Persönliche Freiheitsrechte habe es in der chinesischen Geschichte nie gegeben. Politische Vorgänge in dem Land dürften nicht nach europäischen Maßstäben beurteilt werden. Schmidt hatte im Sommer eine Reise nach China und Singapur unternommen.