Justizministerin will schnelle Reform der Sicherheitsbehörden

Berlin/Hamburg. Die neuen Enthüllungen zu Verbindungen der Zwickauer Terrorzelle in deutsche Sicherheitsbehörden haben für erhebliche Aufregung und neuen Streit in der schwarz-gelben Koalition gesorgt. Regierungssprecher Steffen Seibert räumte ein, dass die Bundesregierung aus den jüngsten Pannen bei der Aufklärung der Neonazi-Morde lernen wolle. Seibert wehrte sich gegen den Vorwurf, die Regierung habe die Existenz eines militärischen Geheimdienstpapiers bewusst verschwiegen. Davon könne keine Rede sein. "Wir tun alles, um die Morde aufzuklären", betonte er.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte im Bundestag, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) werde die Sicherheitsstrukturen so verändern, dass solche Vorgänge nicht mehr möglich seien.

Am Dienstag war bekannt geworden, dass der Militärgeheimdienst MAD schon in den 90er-Jahren eine Akte zu dem späteren NSU-Terroristen Uwe Mundlos angelegt hatte. Das Verteidigungsministerium erfuhr bereits vor einigen Monaten davon, gab diese Information damals aber offenbar nicht an den Neonazi-Untersuchungsausschuss weiter.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) soll frühzeitig über den Kontakt zwischen MAD und Mundlos informiert gewesen sein. Das sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Er wies den Vorwurf zurück, de Maizière habe den Untersuchungsausschuss nicht darüber informiert.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat nach den neuesten Enthüllungen die Abschaffung des MAD verlangt. "Das gehört jetzt ganz oben auf die politische Agenda", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Auch Grüne und Linke plädieren für eine Auflösung der bisherigen Geheimdienste. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin forderte im Deutschlandfunk einen radikalen Neuanfang bei Verfassungsschutz und MAD. Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Matthias Höhn, sagte: "Die deutschen Inlandsgeheimdienste haben sich selbst jede Legitimationsgrundlage entzogen."

Leutheusser-Schnarrenberger sagte, ihre Partei trete schon seit Langem für eine Auflösung des Militärischen Abschirmdienstes ein. "Nach einer bislang unvorstellbaren Pannenserie der Dienste ist eine grundlegende Reform der Sicherheitsarchitektur dringender denn je", mahnte sie. "Doppelarbeiten, Reibungsverluste und Informationspannen können nur durch energisches Anpacken abgestellt werden."

Der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy kündigte an, den MAD-Präsidenten Ulrich Birkenheier bei der nächsten Sitzung erneut zu laden. "Ich halte es für unglaublich, für unsensibel, wenn nicht bösartig, dass uns über ein halbes Jahr lang verschwiegen worden ist, dass es einen Kontakt zwischen einem Terrorverdächtigen und dem MAD gab. Das halte ich für einen ziemlichen Skandal." Edathy zweifelt die Aussage Birkenheiers an, wonach der Geheimdienst Mundlos in dem Gespräch nicht als Informanten anwerben wollte.

Unterdessen berichtet der "Stern", dass im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nach dem Auffliegen der rechtsextremen Terroristen noch mehr Akten vernichtet worden seien als bekannt. Noch im Februar 2012 hätten Mitarbeiter des Verfassungsschutzes diskutiert, ob Unterlagen zu dem mutmaßlichen Helfer Thomas S. gelöscht werden könnten. Danach sei die Akte zu Thomas S. vernichtet worden, obwohl das Bundeskriminalamt erst fünf Wochen zuvor im Zuge der NSU-Ermittlungen die Wohnung von Thomas S. durchsucht hatte.